Ein 22 Jahre altes Interview mit Breiti in der damaligen fiftyfifty

Die Toten Hosen: Vor 14 Jahren och eine obskure Keller-Punk-Combo, jetzt eine der erfolgreichsten Bands Deutschlands: "Die Toten Hosen" aus Düsseldorf sind zwar längst reich (& sexy?), aber dennoch sind sie weiterhin "Stars zum Anfassen", zeigen ein Herz für sozial Benachteiligte. Unvergessen bleibt ihr Benefiz-Eishockeyspiel gegen die "Leningrad Cowboys“ (September 95) im Düsseldorfer Eisstadion vor 10.000 begeisterten Fans. Aber auch durch weniger spektakuläre Aktionen helfen Campino & Co. wo und wann sie nur können. Gitarrist Breiti äußert in fiftyfifty seine Gedanken zu Themen wie Obdachlosigkeit, Sozialabbau oder Fortuna Düsseldorf. Von Dagmar Dahmen 

Obdachlosigkeit: Du beschäftigst Dich zwangsläufig damit, schon allein weil Du immer mehr Obdachlose auf der Straße siehst. Und dann fragst Du Dich schon, was Du vielleicht selbst zu dem Thema beitragen oder was Du selber machen könntest. Aber direkt - außer daß ich mir fiftyfifty in der Altstadt ab und zu kaufe habe ich damit bisher eigentlich nichts zu tun gehabt.

Soziales Engagement: Das Problem ist: Es gibt ungefähr zehntausend Sachen, die es wert wären, daß man sich drum kümmert. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß es besser ist, sich auf bestimmte Sachen zu Konzentrieren und diese dann richtig zu machen, als überall so’n bißchen und nicht durchzublicken. Wir unterstützen beispielsweise den „Düsseldorfer Appell", „Pro Asyl“ oder die „Edelweißpiraten“ in Berlin, die sich alle um Themen wie Rassismus und Fremdfeindlichkeit kümmem. Mir ist lieber, eine Sache richtig zu machen anstatt bei vielen - womöglich nur als Schirmherr in einem Briefkopf- aufzutauchen.

Reich & Arm: Klar, wir verdienen momentan viel Geld, doch wo viel reinkommt, geht auch viel wieder raus. Aber klar: Wir verdienen wesentlich mehr Geld als irgendwelche Leute von der Straße. Da wo ich herkomme, hatten wir auch nie viel Geld. Wir haben von der Hand in den Mund gelebt. Ich mußte bereits mit acht Jahren arbeiten, weil mein Vater einen Herzinfarkt hatte. Also ich weiß schon ungefähr, worum es bei Armut geht, aber es ist natürlich möglich, daß der Abstand schon viel zu groß ist, um richtig mitreden zu können. Deswegen versuche ich auch, bei solchen Themen nicht öffentlich zu sagen: Hey, ich weiß, worum es geht. Egal, ob es sich um irgendwelche Sozialprogramme oder den Sozialabbau dreht. Da stell' ich mich nicht mit den Gewerkschaften in die vorderste Front und mache den Lauten, als ob ich wüßte, wie's laufen muß. Aber es ist völlig kłar, daß meine Sympathien auf der Seite der sozial Benachteiligten liegen.

Justizvollzugsanstalt Ulmer Höh: Ich kenne selber viele Leute, die mal im Knast waren. Ich meine, da gibt es die unterschiedlichsten Schicksale. Natürlich sind im Knast und auch in der Ulmer Höh wirkliche Arschlöcher. Aber es gibt auch viele Leute dort, für die es sich lohnt, ein Konzert zu geben. Ich will auch gar nicht wissen, was jeder Einzelne gemacht hat oder ob er ein guter Typ ist oder nicht. Mit jedem kannst Du bis zu 'nem gewissen Grad klarkommen und diese Grenze sollte man suchen und soweit wie möglich herausschieben. Und was die Kritik an unseren Knast-Konzerten betrifft: Das machen wir auch nicht, um denen was Gutes zu tun, sondern weil wir selber da jede Menge gute Erfahrungen sammeln können. Uns bringt das sehr viel. Das Beste an diesen Konzerten sind die Gespräche, die Du hinterher hast. Das ist für uns immer total beeindruckend. Wenn die Leute im Knast Spaß haben, gefällt uns das natürlich.

Abschiedsgedanken: Wir haben mit der Musik angefangen, weil es das war, was wir unbedingt machen wollten. Nach sechs oder sieben Jahren fingen wir an, damit Geld zu verdienen. Bis dahin haben wir uns mit irgendwelchen Jobs über Wasser gehalten. Insofern ist es keine Sache, die man einfach über Nacht hinschmeißt, wenn einem soviel daran liegt und das ist nach wie vor so. Wenn mal der Punkt kommt, an dem man sich über längere Zeit sagen muß, daß das nicht mehr das Richtige für uns ist, dann hoffe ich, daß wir soviel Charakter haben, aufzuhören - auch wenn wir noch erfolgreich sein sollten.

Eigene Plattenfirma (JKP = Jochens kleine Plattenfirma): Eigentlich war es ein konsequenter Schritt, weil wir schon immer versucht haben, über alles um uns herum möglichst die Kontrolle zu behalten. Bei den Konzerten ist das schon lange so. Wir haben unsere eigene kleine Konzertagentur. Die bestimmt, wann wir wo in welchen Hallen spielen, mit welcher Vor-Band und wie hoch die Eintrittspreise sind. Das alles bedeutet mehr Arbeit und Streß für uns, aber letztendlich ist es der bessere Weg für uns. Als wir jetzt die Möglichkeit hatten, das mit den Platten ebenso zu machen, haben wir die Gelegenheit genutzt. Das Risiko ist zwar größer, wenn's daneben geht, aber andererseits: Wenn wir viele Platten verkaufen, ist es zu unserem Vorteil.

Fortuna Düsseldorf: Wir kommen halt aus Düsseldorf. Ich bin hier geboren und seit 30 Jahren nie hier weggekommen. Wenn Du mit so einem Verein groß wirst, dann bleibst Du ihm treu. Wenn Dich Deine Freundin enttäuscht, machst Du mit ihr Schluß und suchst Dir ne Neue. Früher wollte ich immer, daß nach meinem Tod meine Asche auf dem „Flinger Broich“ verstreut wird. Aber seitdem ich weiß, daß die Fortuna dort wegzieht, habe ich von dieser Idee Abstand genommen. Nachher wird auf meiner Asche irgendein Möbelhaus gebaut!

Fans: Bei uns sind keine kreischenden Teenies, auch wenn wir z.T. sehr junge Fans haben. Generell ist unser Publikum sehr gemischt, stammte von 13 bis 30 Jahren und älter. Das ist etwas, was wir uns nicht aussuchen können. Wir machen nur Platten und gehen auf Tour, bieten also was an. Wer da hinkommen will, soll es bitte tun und je mehr das sind, desto mehr freue ich mich, klar. Denn wir machen unsere Musik nicht für'n elitäres Publikum. Solange das Publikum gemischt ist, finde ich das gut. Gerade bei Konzerten ist es so, daß die Jüngeren viel leichter durchdrehen und viel geringere Hemmschwellen haben als irgendwelche Älteren, die hinten am Bierstand stehen und sich alles in Ruhe ansehen.

Drogen: Wir mußten mal 'ne Tournee unterbrechen, weil wir „dank" Drogen nicht mehr in der Lage waren, auf der Bühne zu stehen. Das war ziemlich scheiße. Daher lassen wir's jetzt bleiben, wenn wir unterwegs sind. Nicht, daß wir uns gegenseitig kontrollieren oder sagen, niemand darf- egal was es ist - rauchen oder trinken. Nur- alles zu seiner Zeit. Jeder sollte die Kontrolle darüber behalten, egal ob es Alkohol ist - für mich eine harte Droge - oder ob das LSD ist oder sonst irgendwas. 

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Über die aktuelle fiftyfifty mit dem aktuellen Breiti-Interview: https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/stadtgespraech/duesseldorf-breiti-von-den-toten-hosen-in-fiftyfifty_aid-24094155

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