Die russische Regisseurin Larisa Afanaseva ist Mit-Gründerin der Organisation und gleichzeitig künstlerische Leiterin sowie Zirkusdirektorin des kleinen Upsala-Universums. Seit 2011 hat sie für ihre Kids ein festes Zuhause, ein eigenes Zirkuszelt mit angeschlossenen Sozialräumen, malerisch an einem Teich auf einem Privatgelände inmitten eines Businesscenters in der alten Zarenstadt gelegen. Ein Bau-Unternehmer hat das Gelände zur Verfügung gestellt. Dort wachsen mittlerweile 70 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren aus sozial benachteiligten oder gefährdeten Verhältnissen zu Artisten heran. Ein junges Team von Sozialpädagogen, Choreografen, Schauspieltrainern, PR-Managern und Ehrenamtlichen aus vielen Ländern der Welt kümmert sich um alle Schützlinge und die gesamte Organisation. Das mittlerweile 15-köpfige Team passt auch darauf auf, dass alle Kinder ihre Schularbeiten erledigen und dass sie alle etwas Warmes zu essen bekommen, bevor es zum Training geht. Hier steht Disziplin an erster Stelle, eine Tugend, die auch im „normalen“ Leben von großer Bedeutung ist. Denn das Ziel ist es, dass möglichst alle Upsala-Kinder nach ihrer Zirkuszeit in Lohn und Brot sind. Bis dahin aber spielt das Träumen eine große Rolle. Kinder, die in schäbigen, überbelegten Komunalkas, so der Name der Sozialwohnungen in Russland, groß werden, und nicht selten Vernachlässigung, Gewalt und Alkoholmissbrauch der Eltern erleben, haben bei Upsala die Chance, aus dem Elend herauszuwachsen und über sich selbst hinaus. Der Applaus am Ende einer gelungenen Vorstellung ist Balsam für die Seele und vermittelt vielleicht zum ersten Mal ein Gefühl von Wert und Selbstbewusstsein. Denn der Beifall ist, so wie auch das Eintrittsgeld, das die Zuschauer zahlen, kein Almosen, sondern hart erarbeiteter Lohn für ein künstlerisch in jeder Beziehung professionelles Gesamtkunstwerk. Kein Wunder, dass sich die Presse mit Lob geradezu überschlägt. „Die wunderbare Welt von Upsala“ etwa hat die Westdeutsche Zeitung getitelt. Die Rheinische Post schreibt von „Gänsehautstimmung“ und die Berliner Zeitung jubelt: „Großartig. Die Upsala-Kinder brechen Herzen.“

Einige Zirkus-Absolventen der ersten Generation realisieren mittlerweile eigene Projekte, die natürlich sehr zirkusaffin sind. Natasha Kashina zum Beispiel leitet eine Gruppe für Behinderte, in der auch Kinder mit Down-Syndrom oder Autismus erste Bühnenerfolge feiern können. Die kleinen Racker haben es im letzten Jahr sogar zu einem Festival nach Berlin geschafft und das Hauptstadt-Publikum grenzenlos begeistert.

Ein weiteres wichtiges Projekt nennt sich „Zirkus hinter Gittern“. Dabei lehren ausgebildete Trainer die jugendlichen Kleinkriminellen in einer Vollzugsanstalt wie cool Artistik ist und schmieden mit ihnen Zukunftspläne. Pläne, die nicht davon handeln, wieder Verbrechen zu begehen und im Knast zu landen. Gerade arbeiten die Inhaftierten an einem Stück, das später vor Publikum aufgeführt werden soll. Die Aufregung ist groß, aber wie immer gilt: Wir schaffen das!

Eine Inszenierung der Älteren heißt „Der Ping-Pong-Effekt“ – „das künstlerische Highlight von Upsala“, wie Larisa, die Mutter Courage der „Stadtstreuner“, so der Name eines anderen Stückes, findet. Der Ping-Pong-Effekt hat das Zeug dazu, eigenständig auf Tournee zu gehen. So würden – erstmalig in der Geschichte von Upsala - dann zwei Ensembles gleichzeitig durch die Welt ziehen und damit die Bekanntheit und auch die Einnahmen des sozialen Unternehmens erhöhen. Doch auch die frühen Inszenierungen hätten dieses Potenzial. Treue Fans erinnern sich mit Dankbarkeit und Wehmut daran. Sie lieben die Poesie von „Wolken in mir“ oder die Melancholie von „Spaziergang mit Hut“. Oder die atemberaubenden Flickflacks in „Rundes Märchen“. Oder, oder, oder. Zirkus Upsala und seine Fans – das ist eine Geschichte für sich. Eine Geschichte der Liebe und der Treue. Und eine Geschichte des Engagements. Denn viele Menschen unterstützen die soziale Arbeit dieses einzigartigen und mit vielen Preisen ausgezeichneten Projektes mit Geldspenden. Und nicht zuletzt durch fiftyfifty hat Upsala es zu einem gewissen Ruhm gebracht. Die erste Plakatkampagne, der erste Kinospot unterlegt mit einem Titel der Toten Hosen, erste Auftritte in Bonn, Köln und anderswo, das erste kleine Zirkuszelt, ein Tour-Bus … dies sind nur einige Resultate des frühen Managements durch unsere Obdachlosenorganisation. Doch nach dem Spiel ist vor dem Spiel. In diesem Sinne: Bühne frei für den Ping-Pong-Effekt. Bühne frei für Zirkus Upsala. daria penzina/hubert ostendorf

https://www.perspektiven-verein.de/index.php/upsala.html

http://upsalacircus.ru/en/glavnaya-exp/