RP | 11. Februar 2021

Obdachlose in Düsseldorf leiden unter der klirrenden Kälte

DÜSSELDORF | Die aktuellen Minustemperaturen können für die wohnungslosen Menschen in Düsseldorf lebensgefährlich sein. Darauf hat die Stadt hingewiesen, nachdem in der Nacht zu Mittwoch die Temperaturen auf bis zu minus elf Grad Celsius gefallen waren. Auch in den kommenden Nächten bleibt es sehr kalt, tagsüber wird es wohl am Wochenende erstmals wieder in den Plus-Bereich gehen. „Wir hoffen, dass die Streetworker auch bei denen Überzeugungsarbeit leisten konnten, die bisher die Notschlafstellen nicht in Anspruch nehmen wollten“, sagt Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integration.

Zumal die Stadt die Angebote im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie ausgebaut hatte. Während in Notschlafstellen früher auch Vierer-, Sechser- und Achter-Zimmer vergeben wurden, waren es seither Doppelzimmer. Nach dem Nachweis der britischen Mutation des Coronavirus bei einem Obdachlosen in der vergangenen Woche wurde auf Einzelzimmer umgestellt. Überdies hat die Stadt inzwischen acht Hotels komplett für Wohnungslose angemietet, in einem weiteren Hotel sicherte man sich jetzt ein größeres Kontingent. „Das kann bei Bedarf auch noch erweitert werden“, sagt Miriam Koch. Zu den neuen Bedingungen gehört auch, dass die Wohnungslosen morgens die Unterkünfte nicht verlassen müssen.

Als Teil eines neuen Angebotes können sich Obdachlose inzwischen täglich von 9 bis 11 Uhr sowie von 17 bis 20 Uhr in der Berger Kirche in der Altstadt aufwärmen. Gemeinsam haben das Amt für Migration und Integration, der Evangelische Kirchenkreis und die Johanniter-Unfallhilfe das Angebot geschaffen. „Morgens gibt es ein Frühstückspaket, dazu bieten wir während der gesamten Öffnungszeit Tee und Kaffee an, das Angebot ist bewusst niederschwellig angelegt“, sagt Norman Hofmann von den Johannitern Rhein/Ruhr. Die Hilfsorganisation hat die Betreuung vor Ort übernommen. Coronabedingt dürfen sich maximal 30 Personen in der Kirche aufhalten. „Am Nachmittag kamen zuletzt 10 bis 15 Wohnungslose zu uns, am Morgen sind es deutlich weniger, das Angebot spricht sich gerade erst herum“, sagt Hofmann. Eine Übernachtung schließen Kirchenkreis und Johanniter nicht aus. „Zurzeit bieten wir das noch nicht an, weil es für die Nacht bequemere und passgenauere Angebote in ausreichender Zahl gibt“, meint der Johanniter.

Bis in die Nacht hinein sind an diesen klirrend kalten Tagen die Streetworker der Franzfreunde unterwegs. „Immer wieder treffen die Kollegen Männer und Frauen, die mit dem Gedanken spielen, unter freiem Himmel zu übernachten, aber bei diesen Minustemperaturen helfen auch zwei Schlafsäcke und mehrere Decken nicht“, sagt Geschäftsführer Peter Hinz. Die von dem Sozialwerk betriebenen Notschlafstellen an der Kaiserswerther, der Harkort- und der Graf-Adolf-Straße bleiben für die Dauer der Kälteperiode ganztägig geöffnet. Hinz ruft alle Bürger auf, Wohnungslose, die sich draußen aufhalten, hilflos wirken oder eingeschlafen sind, anzusprechen und im Zweifel Hilfe herbei zu telefonieren. „Ein ungeschützter Aufenthalt im Freien kann tödlich sein.“

Oliver Ongaro kann sich nicht daran erinnern, wann zum letzten Mal in Düsseldorf über mehrere Tage so viel Schnee lag und die Temperaturen dauerhaft so niedrig lagen. „Das ist jahrelang nicht der Fall gewesen. Bei vier Grad und Nieselregen ist es auch nicht angenehm, im Freien zu schlafen, aber der Schnee und die momentane Kälte machen es noch schwieriger“, sagt der Fiftyfifty-Streetworker.

Der Sozialarbeiter schätzt, dass derzeit zwischen 20 und 30 Menschen die Nächte im Freien verbringen. Dass es so wenige sind, liegt aus seiner Sicht an der guten Arbeit der Stadt, die diverse Hotels angemietet hat. „Wir merken jedenfalls, dass sich die Lage entspannt hat“, sagt Ongaro.

Er berichtet von einem Obdachlosen, der drei Jahre auf der „Platte“ lebte und nun in einem Einzelzimmer mit eigenem Bad in einem Hotel unterkam: „Als er das sah, bekam er feuchte Augen.“ Weil aber nicht alle in eine solche Unterkunft ziehen wollen, werden vereinzelt weiterhin Obdachlose auf der Straße zu sehen sein. Wenn es danach aussieht, dass es den Menschen gesundheitlich schlecht geht, solle man sie ruhig ansprechen: „Jeder freut sich bestimmt über die Frage, ob es ihm gut geht. Und über ein heißes Getränk auch“, sagt der Streetworker.