RP | 27. August 2019
Fif¬ty¬fif¬ty pro¬tes¬tiert ge¬gen Stra¬ßen¬ord¬nung
Vermutlich gibt es Angenehmeres, als in der prallen
Mittagssonne auf einer Stele vor dem Rathaus für ein Foto zu
posieren. Aber Obdachlose sind unbequeme Situationen
gewohnt. Und am Dienstag ging es um politischen Protest. Dafür
wurden sogar die Hunde zur Raison gebracht – und eins der
Modelle, bekannt als Kö-Peter, hatte sich mit Blumenkränzen
besonders geschmückt. Wie in einer Kunstgalerie sollten die
Menschen ohne festen Wohnsitz auf ihren Sockeln aussehen.
Fotografiert wurden sie von der Kunstakademie-Absolventin
Katharina Meyer, die schon des Öfteren mit Fiftyfifty
zusammengearbeitet hat – zuletzt für eine Ausstellung nicht
vor dem, sondern im Rathaus, die von Oberbürgermeister Thomas
Geisel eröffnet wurde.
Der war am Dienstag nicht zu sehen, sein Name fiel aber.
Fiftyfifty hatte zur Protestaktion auf dem Marktplatz
gerufen, weil die Stadt nach Ansicht der
Obdachlosen-Unterstützerorganisation zu langsam an der
Abschaffung des Paragrafen 6 der Straßenordnung arbeitet.
Diese Abschaffung hatte Fiftyfifty bereits im Februar bei
einer Aktion vor dem Rathaus gefordert. Hintergrund sind
Zusammenstöße zwischen Mitarbeitern des städtischen
Ordnungsdienstes und Obdachlosen. Besonders angeprangert
hatte Fiftyfifty vier Fälle. Was genau passiert ist, schildern
die Organisation und die Stadt sehr unterschiedlich. Nach
Angaben von Fiftyfifty entschied das Amtsgericht aber in allen
Fällen zugunsten der betroffenen Obdachlosen. Der
umstrittene Paragraf 6 verbietet „störendes Verhalten auf
Straßen und Anlagen“, insbesondere aggressives Betteln,
„Störungen in Verbindung mit Alkoholgenuss“, Lagern,
Nächtigen, Lärmen oder Verrichtung der Notdurft. Kritiker
sagen, dass der Paragraf zu unbestimmt ist. Eigentlich hat sich
die Ampelkooperation im Rathaus bereits 2014 auf eine Reform
geeinigt. Besonders den Grünen ist das wichtig. „Wir würden den
Paragrafen gerne anpassen, er ist zu gummihaft“, sagt
Fraktionssprecher Norbert Czerwinski. Es gebe aber keinen
Fortschritt. Das könnte an der SPD liegen. „Aktuell ist uns
wichtiger, die Mitarbeiter des OSD besser zu qualifizieren und
den Personalschlüssel zu verbessern“, sagt deren
stellvertretender Fraktionsvorsitzender Martin Volkenrath.