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Foto (2001): Inge Sauer / Wikipedia

Der Cartoonist F. K. Waechter - „Der Humor eröffnete mir den Weg zum eigenen archimedischen Punkt“

Im Januar 1989 eröffnete Robert Gernhardt eine Ausstellung seines Freundes F. K. Waechter mit der Feststellung: „Soweit man all diese Zeichnungen als komische Zeichnungen begreift und genießt – und es ist ratsam, dies zu tun –, können sie auf das erklärende Wort mit Kusshand verzichten. Wer eine bildhafte Pointe nicht schnell und gleich begreift, dem ist mit Worten nicht zu helfen, und wer nicht von alleine Einstieg in die Waechter-Welt findet, dem werden auch lange Wegbeschreibungen nicht auf die Sprünge helfen.“ Waechter merkte dazu einmal selbst an, er habe große Freude daran, „das Dümmste, Banalste, Schrägste, Abseitigste weiterzutreiben“ und sich gegen Regeln, Autoritäten und Unsinniges zu stellen. Belehren war nicht seine Sache. "Wenn ich jemanden zum Denken und Rätseln anrege, habe ich das gern, und wenn viele Menschen Verschiedenes zu einer Zeichnung denken, freue ich mich besonders." Ein ganzes Paralleluniversum des Absurd-Komischen hat er in vier Jahrzehnten aufs Papier gebracht

1937 als Sohn eines Lehrers in Danzig geboren, muss er 1945 mit seiner Familie nach Schleswig-Holstein fliehen. In Hamburg besucht er die Kunstschule Alsterdamm, wird Gebrauchsgraphiker und arbeitet danach in einer Werbeagentur. Die Arbeit sagt ihm wenig zu. Das ändert sich schlagartig als er 1962 in Frankfurt Mitarbeiter in der Redaktion des frischgegründeten Satireblatts Pardon wird. In seinen autobiografischen Notizen hält er fest: „Es gibt sehr verschiedenartige, neue und witzige Aufgaben. Alles ist anders in Frankfurt. Alle scheinen ›Linke‹ zu sein, keine Dorfdeppen! Ich lese Tucholsky und Freud und sehe mein Leben mit neuen Augen. Vor allem berauscht mich, dass ich Geld, Liebe und Anerkennung nun für das bekomme, wofür ich auf der Lauenburgischen Gelehrtenschule Prügel und bei Setzke [Direktor der Kunstschule Alsterdamm] wütendes Gebrüll erntete: nämlich für Frechheiten, Bosheiten und Geschmacklosigkeiten.“ Gemeinsam mit Robert Gernhardt und F. W. Bernstein arbeitet er bis tief in die Nächte - vorzugsweise in Frankfurts bürgerlichen Kneipen - an einer grundlegenden Neuformulierung des Komischen in Wort und Bild. Radikal tabulos wurde da gezeichnet und gereimt. In der Rubrik Welt im Spiegel (WimS) entfalten sie ihr gemeinsames Nonsensfeuerwerk, verstoßen mit Vorliebe gerne auch gegen den guten Geschmack und geben der satirischen Kunst in Deutschland neue, wegweisende Impulse. Mit seinen beiden Kollegen zählte er zum harten Kern der „Neuen Frankfurter Schule“, der progressiven Satire-Werkstatt der Achtundsechziger.

Nach seiner Mitarbeit für Pardon zeichnete Waechter Cartoons u. a. für Twen, das Zeit-Magazin und die Satirezeitschrift Titanic, deren Mitbegründer er war. Als er 1992 seinen offiziellen Abschied von der satirischen Zeichenkunst nahm, konnte er mit rund 4000 Blättern auf ein eindrucksvolles zeichnerisches Oeuvre zurückblicken, das spielerisch zwischen Nonsens und absurdem Witz, geistreicher Komik und subtiler Ironie jongliert. Mit Cartoons wie Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein (1971) zeichnete er sich ins kollektive Gedächtnis. Seine Lust am anarchischem Witz und absurdem Spiel mit Nonsens sorgte freilich auch für moralische Empörung, wie z.B. „Der Kragenbär, der holt sich munter einen nach dem anderen runter“, oder: „Am Abend hilft die Jägerin dem Jäger in die Negerin“, nebst graphischer Umsetzung. Auch politischer- und kirchlicherseits rief er nicht selten heftige Kritik hervor, wie etwa mit einer Titelblattzeichnung von Papst Johannes Paul II. auf Deutschland-Besuch – als Hirte in Schäfchen missbrauchender Pose mit dem Untertitel: „Der Papst kommt!“ Auf die Frage: „Herr Waechter; ist Ihnen eigentlich nichts heilig?“ antwortete er 2001 in einem Interview mit der Schweizer Sonntagszeitung: „Alles, was unerträglich ernst, übersteigert oder von mir aus eben auch heilig daherkommt, eignet sich bestens für subversive Dinge. Wobei es, muss ich sagen, mittlerweile fast zu einfach geworden ist, zum Beispiel gegen die Kirche zu giften - man rennt meist nur noch offene Türen ein.“ Vor 20 Jahren, am 16. September 2005, starb Friedrich Karl Waechter im Alter von 67 Jahren in Frankfurt am Main.

Hans Peter Heinrich