Die gute alte Schinderei und durchgeknallte Männer
Von Christoph Sieber*
Friedrich Merz bleibt dabei: Wir arbeiten zu wenig. Gut, die Frage ist da natürlich: Wer ist „Wir“? Und da hab ich nach langer Recherche rausgefunden: die Anderen. Die sind faul, die strengen sich nicht an. Vor allem die Frauen. Die anstatt 40 Stunden pro Woche Vollzeit zu arbeiten sich in einer 140-Stunden-Teilzeitwoche bei der Kinderbetreuung, Altenpflege und im Haushalt auf die faule Haut legen.
Mit „mehr arbeiten“ sind auch nicht jene Jetsetter gemeint, deren größte Anstrengung es ist, ihr Erbe auf Sylt bei einem Aporol Spritz für 30 Euro zu verjubeln. Mir ist wirklich fast das Aktienpaket von Blackrock aus der Hand gefallen, als ich gehört habe, dass man auch Geld für sich arbeiten lassen darf. Wenn das so weitergeht, dann moderiert meine Show beim nächsten Mal ein 50-Euro-Schein.
Sogar die Griechen arbeiten im Jahr 135 Stunden mehr als die Deutschen. Die Griechen! Ich trau solchen Zahlen nicht. Da arbeiten die wie die Verrückten, aber die Akropolis ist bis heute nicht fertig. Und wenn wir schon darüber reden, dass zu wenig gearbeitet wird, dann lasst uns auch über eine Bevölkerungsgruppe sprechen, die wirklich wenig arbeitet: die vielen Millionen Katzen im Land. Zu uns kommt der Nachbarskater jeden Morgen und legt sich vier Stunden bei uns aufs Sofa. Ich vermute, dass er zu Hause erzählt, er geht arbeiten. Ich liebe Katzen, wirklich. Aber die Produktivität hält sich echt schwer in Grenzen.
Natürlich können wir darüber reden, dass wir für den Wohlstand im Land auch etwas tun müssen. Keine Frage. Aber wenn Friedrich Merz von Arbeit spricht, dann meint er nicht Tätigkeiten, nicht Sinn, nicht Gestaltung, sondern Mühsal. Die gute alte Schinderei. Eingedampft zur Tugend. Der Schweißtropfen als Sinnbild eines gelungenen Lebens.
Dass heutzutage Kinder aufwachsen, die ihren Vater kennen, weil er nicht den ganzen Tag und die halbe Nacht auf Arbeit ist, das ist ein Fortschritt. Dass Care-Arbeit nicht allein bei den Frauen hängenbleibt, ist eine gute Nachricht. Ich will nicht zurück in die 80er Jahre. Ich hab doch nicht Helmut Kohl überlebt, damit jetzt Friedrich Merz sagt: „Da bin ich wieder.“
Aber: Wir kritisieren zu viel. Wir sollten auch der neuen Regierung die Zeit lassen, in aller Ruhe zu scheitern. Friedrich Merz hat ja den Besuch bei Donald Trump überlebt. Und viele sagen: Er hat das gut gemacht. Und das stimmt. Um was falsch zu machen, hätte er ja zu Wort kommen müssen. Da sitzt der Merz und muss sich den ganzen irren Quatsch anhören, den ein desorientierter Mann von sich gibt. Gut, Merz ist das gewohnt - er steht ja oft neben Markus Söder.
Durchgeknallte alte Männer wohin man blickt. Und da sind wir schon bei Alexander Dobrindt, der jetzt wie versprochen die Grenzen dicht macht. Der hatte erst über eine Maut für Asylbewerber nachgedacht aber dann ist ihm eingefallen, dass er mit einer Maut ja schon einmal eine Schneise des Misserfolges hinterlassen hat. Und jetzt macht er die Grenzen dicht. Ob da jetzt irgendwelche Gerichte mit einverstanden sind oder nicht. Egal. Donald Trump und Viktor Orban gefällt das. Wir vermissen übrigens seit zwei Wochen unsere Nachbarn. Die wollten einen Kurzurlaub in Österreich machen und sind in Abschiebehaft in Passau. Die Unterkunft sei spartanisch aber immerhin All Inclusive.
Christoph Sieber
… geboren 1970, ist Kabarettist, Autor und Fernsehmoderator. Abitur in Villingen und Studium der Pantomime an der Folkwang-Hochschule in Essen. Schon während des Studiums trat er als Clown, Jongleur, Trickdieb und Pantomime auf. 1995 erstes Soloprogramm Abgeschminkt. Ab 1996 Auftritte im Mainzer Kabarett „Unterhaus“. Weitere erfolgreiche Solo‑Programme wie Jeder ist ein Deutscher – fast überall (1997), Das gönn ich Euch (2005), Alles ist nie genug (2011), Hoffnungslos optimistisch (2015) und Mensch bleiben (2019). Sein aktuelles Programm Weitermachen! feierte im Januar 2024 Premiere. Viele Auszeichnungen, darunter die Heilbronner Lorbeeren und die St. Ingberter Pfanne sowie der Deutsche Kleinkunstpreis. Regelmäßige Fernsehauftritte u.a. bei Die Anstalt, Heute-show, Satiregipfel, Extra 3. Er moderierte u.a. die ZDF‑Late‑Night‑Sendung Mann, Sieber! zusammen mit Tobias Mann. Seit Februar 2021 ist er neuer Gastgeber der WDR‑Satiresendung Mitternachtsspitzen.
*Transkript aus:
Mitternachtsspitzen