Zwischenruf: Drecksarbeit
Am letzten Mittwoch im August bricht im spanischen Städtchen Buñol, Region Valencia, eine Art Krieg aus. Und zwar immer, jedes Jahr. Um 11 Uhr. Auf der Plaza del Pueblo. Es ist ein Krieg, oder sagen wir eine Straßenschlacht, die die deutschen Friedensforschungsinstitute in ihrem Friedensgutachten 2025 zu Recht nicht berücksichtigt haben. Ihr Augenmerk galt den Gewaltkonflikten (an denen jeweils mindestens ein staatlicher Akteur beteiligt ist) weltweit. Deren Anzahl ist zuletzt massiv auf 59 Kriege in 34 Ländern angestiegen, das sind mehr als je zuvor seit 1945. Auf den Spitzenplatz all dieser Katastrophen setzten die Forscherinnen und Forscher – hätten sie’s gedacht? – den Sudan. Der Ukrainekrieg rangiert erst auf Platz 14 der Schreckensskala. Wir hoffen, dass die Bundesregierung deshalb nicht gleich bewaffnete Kräfte in die deutschen Friedensforschungsinstitute schicken wird.
Aber zurück nach Buñol. Was da demnächst wieder ausbricht und exakt um 12 Uhr mittags auch schon wieder endet, ist keine Gewaltorgie, keine Stunde der langen Messer, sondern eine der überreifen Tomaten. La Tomatina heißt die eigenwillige, mit Blick auf sparsamen Umgang mit Lebensmitteln sicher nicht vorbildliche Lustbarkeit, bei der sich alle mit den matschigen Früchten bewerfen – man soll sie vor dem Wurf nochmal eigens zerdrücken – und sich in den Gassen suhlen, in die zuvor tonnenweise die rote Masse gekippt worden ist. Ein bisschen wie rheinischer Karneval, nur eben ohne Kamelle und Konfetti.
Wie wir die närrischen Brauchtumspfleger von Buñol kennen, halten sie vom 5-Prozent-Aufrüstungsziel der Nato – vermutlich eine von Trump erfundene Gaga-Zahl – gewiss noch weniger als ihr Premier Pedro Sánchez. Sie möchten nicht, dass es irgendwann heißt: Kanonen statt Tomaten. Sie zelebrieren La Tomatina als eine Übung der Friedensertüchtigung wider den tierischen Ernst. Und deshalb wird – Ehrensache – gleich nach der Gaudi die Stadt auch wieder gemeinsam geputzt (hoffentlich unter Beteiligung der zahlreichen Touristen). Dass sie diese Drecksarbeit so entschlossen anpacken, verdient allen Respekt. Das darf man hier wirklich sagen, anders als im Fall des Pseudochristen Friedrich Merz, der Netanjahu für die „Drecksarbeit“ dankte, die darin bestand, einen völkerrechtswidrigen Blitzkrieg zu starten, bei dem auch hunderte Menschen wie du und ich umkamen. Navid Kermani, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2015, sagte es so: „Wer Respekt vor der Drecksarbeit hat, Bomben auf Zivilisten abzuwerfen, ist selbst ein Dreckskerl.“