fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++
 

Das aktuelle Heft online lesen?

Code hier eingeben

Du hast keinen Code? Den Code kannst du auf der Straße bei fiftyfifty-Verkäufer*innen für 2,80 Euro auf einer Rubbelkarte kaufen und dann bis zum Ende des Monats so oft du willst die fiftyfifty online lesen. Den Code erhältst du inklusive eines Loses, mit dem du tolle Preise gewinnen kannst. Das Los haben wir sinnigerweise Obdach LOS genannt.

„Euer Business schmarotzt in meiner Nachbarschaft“: Protest gegen Airbnb in New York Foto: Reuters/Shannon Stapleton

A city for people, not for profit

Kommunen im Kampf gegen Airbnb

„Tourists go home“. Diese unmissverständliche Botschaft prangt in Barcelona an beinahe jeder Straßenecke – gesprüht, geklebt, plakatiert. „Touristen, geht nach Hause“. Klingt hart? Vielleicht. Doch hinter den drei Worten steckt viel Frust. Und gute Gründe: Immer mehr Wohnungen werden über Plattformen wie Airbnb als Ferienunterkünfte angeboten. Was für die Eigentümer*innen ein lukratives Geschäft ist, ist für viele Einheimische eine Katastrophe. Denn mit der steigenden Zahl an Ferienunterkünften schrumpft das Angebot an regulärem Wohnraum und die Mieten steigen – eine Entwicklung, die in immer mehr Großstädten und Urlaubsorten zu beobachten ist.

 

Alles fing mit einer Luftmatratze an

Dabei begann alles ganz harmlos: 2008 vermieteten zwei Männer aus San Francisco Luftmatratzen in ihrer Wohnung, um ihre Miete stemmen zu können. „Air Bed and Breakfast" sollte Reisenden günstige Übernachtungen ermöglichen – eine charmante Idee, die dank Internet schnell um die Welt ging. Heute vermittelt Airbnb Unterkünfte in über 150.000 Städten weltweit. Doch von der ursprünglichen Vision des Teilens ist wenig übrig: Statt gelegentlich leerstehende Zimmer zu teilen, kaufen Investor*innen mittlerweile ganze Häuserblocks auf – nur um sie profitabel an Tourist*innen weiter zu vermieten. Das Ergebnis ist ein regelrechtes „Zur-Ware-Machen“ des Wohnens: Wohnungen werden immer seltener von dauerhaften Stadtbewohnern genutzt, stattdessen wird jede noch so kleine Kammer zur Kurzzeitvermietung angeboten. Dadurch entzieht Airbnb dem Markt Mietwohnungen und fördert Immobilien-Spekulation, Mieten werden immer weiter in die Höhe getrieben – und Einheimische zahlen den Preis.

Die Zahlen sind alarmierend: In Barcelona etwa sind die Mieten im letzten Jahrzehnt um satte 68 Prozent gestiegen, in Lissabon sogar um das Dreifache. Preise, die sich viele Bewohner*innen schlicht nicht leisten können. Wer früher mitten in der Stadt lebte, wird heute in die äußeren Vororte gedrängt. Alte Menschen, die seit Jahrzehnten in ihrer Straße leben, müssen ausziehen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Familien finden keine bezahlbare Wohnung mehr in der Nähe von Schule und Arbeitsplatz. Junge Menschen ziehen gar nicht erst aus, sondern bleiben gezwungenermaßen bei den Eltern wohnen.

 

Die Stadt wird zur Kulisse

Doch es geht um mehr als steigende Mieten. Wo einst Nachbarschaft war, rattern jetzt die Rollkoffer. Wo früher die kleine Bäckerei war, ist heute ein Souvenirshop. Buchläden oder Gemüsehändler verschwinden, weil ihre Kundschaft ausbleibt und die Mieten explodieren – übrig bleiben große Ketten. Anwohner*innen beklagen ständigen Lärm und wechselnde Nachbar*innen ohne Verantwortungsgefühl. Die Stadt wird zur Kulisse, während das echte Leben an den Rand gedrängt wird. Besonders betroffen sind Menschen in prekären Lebenslagen: Ältere Menschen, einkommensschwache Familien und Menschen mit Migrationshintergrund haben kaum noch Chancen auf dem überhitzten Wohnungsmarkt. Die Gefahr der Obdachlosigkeit steigt. Aber es geht noch weiter: Die Wohnraumverdrängung kann große Auswirkungen auf das Sozialgefüge der Stadt haben: Wenn Einheimische ihr Wohnviertel verlassen müssen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können, kommen Menschen mit unterschiedlichen Einkünften und sozialen Hintergründen weniger miteinander in Kontakt. Eine steigende Isolation verstärkt soziale Spannungen und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

 

Mit Wasserpistolen gegen den Tourismus

Die Folgen sind längst im Alltag angekommen – und viele haben die Nase voll: Regelmäßig demonstrieren Tausende in betroffenen Städten. Zuletzt machten Aktivist*innen in Barcelona mit Wasserpistolen, mit denen sie Tourist*innen bespritzten, auf die Folgen des Massentourismus aufmerksam. Einige Kommunen reagieren: München und Paris klagen gegen den Konzern und fordern Transparenz bei den Vermietungsdaten. Amsterdam begrenzt die Vermietung auf maximal 30 Tage pro Jahr. Barcelona geht noch einen Schritt weiter: Bis Ende 2028 soll es ein vollständiges Verbot der Vermietung von Ferienwohnungen in der gesamten Stadt geben, bestehende Lizenzen werden nicht verlängert. Das Problem: Airbnb setzt mittlerweile auf aggressives Lobbying und versucht, alle Regulierungsansätze zu unterlaufen. Mit seiner enormen Markt- und Kapitalmacht erschließt das Unternehmen privilegierte Zugänge und übt mit anderen Playern des Tourismussektors Einfluss aus. Das zeigt: Die bisherigen Regeln und Sanktionsmöglichkeiten reichen nicht aus. Es braucht harte Maßnahmen, konsequente Zweckentfremdungsverbote und Plattform-Verantwortung. Entscheidend ist die Bündelung rechtlicher Kompetenzen auf kommunaler und EU-Ebene, um dem milliardenschweren Konzern gewachsen zu sein.

Die Debatte um Wohnraumverdrängung durch Konzerne wie Airbnb ist Teil eines größeren Kampfes um das Recht auf Stadt – darum, ob urbane Räume dem Profitstreben weniger Investor*innen oder den Bedürfnissen der vielen Bewohner*innen dienen sollen. Vielleicht beginnt es mit einer einfachen Frage: Wem gehört die Stadt? Und vielleicht endet es mit einer Forderung, die längst an vielen Hauswänden steht: „A city for people, not for profit.“

 

Noemi Pohl