Intro: Olaf Cless über den Sommer
Liebe Leserinnen und Leser,
bald beginnt die Ferienzeit. Wenn auch nicht für alle. Das Arbeitsleben steht ja nicht still, das täglich Brot wird weiterhin gebacken, die Kühe werden gemolken, die Kranken versorgt, Zeitungen gedruckt und Sendungen produziert, Bahnen und Busse gefahren, Sommerbühnen bespielt, Hotelbetten frisch bezogen und tausend andere Dinge am Laufen gehalten. Dann gibt es auch noch diejenigen, die für die viel gepriesene Ferienzeit nur ein Achselzucken übrighaben, weil sich an ihrer Erwerbslosigkeit, ihrer Obdachlosigkeit, ihrer Suchtkrankheit nichts ändert. Der Sommer mag ihnen gnädiger sein als der Winter, aber das ist auch schon alles.
Für viele andere aber, wohl die Mehrheit, ist die Ferienzeit etwas ganz Besonderes, wird lange im Voraus herbeigesehnt und mit Glücksversprechen aller Art aufgeladen. Diese Ferienzeit ist dann selbstverständlich (obwohl eigentlich nichts daran selbstverständlich ist) Reisezeit. Man fährt in schöne Gegenden, man fliegt in ferne Länder, die manchen gar nicht fern genug sein können, denn in den nicht ganz so fernen war man ja längst. Die Autobahnen werden zum Ferienbeginn also wieder im Stau versinken, die Flughäfen stolz neue Rekordzahlen an Starts und Landungen melden, die Kreuzfahrtbranche die baldige Inbetriebnahme noch kolossalerer Schiffe verkünden. Gleichzeitig werden uns Fernsehdokus weiterhin vor Augen führen, dass Amsterdam, Barcelona, Venedig & Co. keine Lösung gegen den Overtourismus finden. Und irgendwann werden die Meteorologen bekanntgeben, dass das Jahr schon wieder das heißeste seit langem war.
Die fiftyfifty-Ausgabe, die Sie dankenswerterweise in Händen halten, liebe Leserinnen und Leser, ist geradezu von Kopf bis Fuß auf die Sommerzeit eingestellt. Sie erfahren darin vom Leben, Arbeiten und Feiern auf einer griechischen Insel, von den Schattenseiten der Ferienvermietungs-Plattformen, Heinrich Böll erzählt Ihnen von der unbeirrten Ruhe eines Fischers, Sie machen Urlaub mit Heinrich Heine oder erfahren auf die kabarettistische Tour, warum ein Rheinländer nächstes Jahr lieber wieder ins Sauerland fährt. Ich wünsche Ihnen unterhaltsame Lektüre.
Kommen Sie gut durch den Juli!
Olaf Cless
Olaf Cless ist Kulturredakteur von fiftyfifty.