Der Wunderwuzzi am Existenzminimum
Vom Schulabbrecher zum milliardenschweren Immobilienjongleur: René Benko ist der gescheiterte Held einer Gesellschaft, die nur noch ums Goldene Kalb tanzt. Jetzt will es keiner gewesen sein, der seinen Aufstieg mitermöglicht hat.
Die Schneise der Verödung, die der Tiroler Milliardär René Benko mit seinem Signa-Firmenimperium nicht nur durch deutsche Städte geschlagen hat, gäbe reichlich Stoff für Besichtigungstouren der besonderen Art. In Hamburg grüßt das Gerippe des Elbtower, der mal 245 Meter hoch werden sollte; am Gänsemarkt klafft ein Riesenloch, wo die alte Passage abgerissen wurde, dann aber doch nichts Neues an die Stelle trat. In Berlin ist das sogenannte P1 an der Passauer Straße nicht über ein Betonskelett hinausgekommen, und ob das Galeria-Kaufhaus am Hermannplatz seinen von Benko begonnenen Umbau überleben wird, bleibt fraglich. Übel hat es auch Stuttgart erwischt, wo ein Kaufhof geschlossen wurde und die Stadt nicht weiß, was sie mit der teuer übernommenen maroden Immobilie anfangen soll; dort, wo Signa an Stelle des Kaufhauses Sportarena schicke Büroetagen versprochen hatte, klafft eine gewaltige Schuttwüste in Bestlage. München büßt ebenfalls kräftig dafür, dass es sich dem „Wunderwuzzi“ Benko an den Hals geworfen hat – die tristen Hotspots heißen u. a. Alte Akademie, Karstadt Sports und Oberpollinger. Die Sightseeing Tour ließe sich fortsetzen, beispielsweise nach Düsseldorf, Wien, Venedig und Zürich.
„Benko war es nicht allein“ stand an einer der Münchner Pleitebaustellen in großen Buchstaben geschrieben. Wie wahr. Jahrelang umschwärmten hochrangige Politiker, Stadtoberhäupter, schwerreiche Investoren, Banken-, Sparkassen- und Versicherungsbosse den Aufsteiger aus Innsbruck wie Motten das Licht. Dass der schon 2012 von einem Wiener Gericht wegen Korruption verurteilt worden war, spielte keine Rolle. Stattdessen ließ sich die High Society gern blenden von den rauschenden Festen, zu denen der Wunderwuzzi einlud – in die weiße Villa in Igls, die Anwesen am Gardasee, die Jagdhäuser, ins Nobelhotel in Telfs oder auf Benkos Superyacht, die einen seiner Spezis, ehemals höchster österreichischer Finanzbeamter, voller Bewunderung twittern ließ: „Rene, du Mr. 64 Meter – irre!“
Aber Benko, das OPM-Talent („other people’s money“), lud nicht nur gern ein, er wurde auch freudig eingeladen. Etwa ins Hamburger Rathaus, wo der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz das Benko-Projekt Elbtower ab 2017 zu seiner Chefsache machte und energisch beschleunigte (Spitzname der Insolvenz-Ruine: Kurzer Olaf). Oder ins Münchner Nobelrestaurant Käfer, wo Benko im Mai 2018 mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und Geschäftsleuten aus der Rüstungs- und der Medienbranche tafelte – arrangiert hatte das Treffen der Ex-Justizminister Alfred Sauter (CSU), der auch als Anwalt für ein Signa-Unternehmen tätig war, mehr Aufmerksamkeit dann allerdings mit seiner Millionen-Provision für Masken- und Schnelltest-Deals erzielte.
Als das riesige, gewollt unübersichtliche Signa-Konglomerat längst lichterloh brannte, meldete Benko im März 2024 Privatinsolvenz an und gab rührende Erklärungen ab, dass er nun „am Existenzminimum“ lebe. Sein obszön ausuferndes Privatvermögen hatte er bereits in vier sogenannte Familienstiftungen – zwei in Liechtenstein, zwei in Österreich – verschoben. Im Übrigen tat er sein Bestes, den zahllosen Gläubigern, darunter der Hamburger Milliardär Kühne, der Wiener Baumogul Haselsteiner oder Fressnapf-Chef Toeller, von der Insolvenzmasse so wenig wie möglich übrig zu lassen. Im Übrigen setzte er seinen gewohnten Lebensstil fort, schipperte auf dem Gardasee herum oder gönnte sich und einem devoten SPÖ-Politiker eine Hirschjagd. Allmählich mussten auch die österreichischen Ermittler erkennen, was die Staatanwaltschaft Trient so formulierte: dass es sich bei Benko um den „Anführer einer mafiaartigen kriminellen Vereinigung“ handelte.
Seit Januar 2025 sitzt er nun in der Wiener Justizanstalt Josefstadt, dem „Grauen Haus“, in U-Haft. Wegen hoher Verdunkelungs-, Tatbegehungs- und Fluchtgefahr wurde sie verlängert. So weit, so gut. Ob am Ende aber die grundlegenden Strukturen zerschlagen werden, die den Großbetrug eines René Benko erst ermöglicht haben, und ob die Mitbeteiligten aus Finanzwirtschaft und Politik, die das Geld ihrer Kunden und der Steuerzahler hundertmillionenfach verbrannt haben, ihrerseits zur Verantwortung gezogen werden – das steht auf einem anderen Blatt.
Mehr zum Fall Benko im ARD-Radiofeature „Die Ruinen des René Benko – Doku über die Signa-Pleite“ von Georg Wellmann (ard.audiothek.de, 54 Min.) und im Buch „Inside Signa – Aufstieg und Fall des René Benko“ von Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart, Verlag edition a, Wien, 240 Seiten.