Zwischenruf: Das Lied vom Finanzierungsvorbehalt
Der Schriftsteller Uwe Timm ist ein begnadeter Erzähler, ich sage nur: Die Entdeckung der Currywurst. Zehn Jahre ist es her, da las er in Düsseldorf, in einem Saal, der vom Kulturamt der Stadt Düsseldorf bespielt wird. Timm trug gerade einen Essay über Grimms Märchen vor, darin verwoben seine eigene Kindheit der frühen Nachkriegsjahre, als das an seinem Tisch stehende Mikrofon langsam begann, mit seinem Metall-Arm tiefer zu sinken. Unbeirrt im Vortrag fortfahrend, drückte Timm es wieder auf die alte Höhe, was nur vorübergehend half. Das Spiel wiederholte sich nun immer häufiger, trat in heimliche Konkurrenz zu den Nöten von Hänsel und Gretel wie auch denen des Hungerwinters 1946. Bis der Autor schließlich seelenruhig zum Rednerpult daneben wechselte und von dort aus weitermachte. Das leicht Verstörende daran: Es gab keine zuständige Person im Saal, die das kleine Problem mal eben behoben hätte. Deren Aufgabe es gewesen wäre, den technisch reibungslosen Ablauf für einen aus München angereisten Autor zu gewährleisten. Das war offenbar im Dienstplan so wenig drin wie im Stellenplan. Schon vor zehn Jahren nicht. Und es wird in nächster Zeit erst recht nicht drin sein. Daran ändern alle milliardenschweren „Sondervermögen“ nichts. Kultur kommt darin nicht vor. Berlin hat seinen Kulturetat unlängst in aller Härte und Planlosigkeit gekürzt. „Was wir jetzt hinter uns haben, das haben fast alle Bundesländer noch vor sich“, erklärte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Da dürfte er Recht behalten. Besonders grüßen lassen die hoch verschuldeten Ruhrgebietsstädte.
An all das musste ich denken, als ich neulich aus einem Albtraum erwachte, der mir eine bösartige Pannenserie der kulturellen Art vorgegaukelt hatte. Erst musste ich einen Saal selbst bestuhlen. Dann fiel während des Programms mein Mikrofon aus. Plötzlich drang ein Klirrgeräusch aus den Boxen. Dann statt vorbereiteter musikalischer Einspielungen nur lähmende Stille. Auf der Projektionsleinwand drohte das traurig schöne Porträt der Dichterin, welcher der Abend galt, in Werbung für die verwendete Software überzugehen. Als ich aus all dem erwachte, merkte ich: Es war kein Traum, sondern der Ernstfall auf der Bühne, live, in Farbe und im Beisein des tapferen Publikums. Und nur eine Straßenbreite entfernt vom Saal, wo sich Uwe Timm seinerzeit mit einem müden Mikro abgegeben hatte. Zugegeben, mein eigenes Mikro hier bewahrte rein mechanisch Haltung. Es gibt also wohl doch einen Fortschritt. Aber er steht, siehe Koalitionsvertrag Seite 51, Zeile 1627, „unter Finanzierungsvorbehalt“. Amen.