Intro: Über den Sozialrassismus
Liebe Leser*innen!
„Ich fürchte mich vor der Wiederkehr der Sprache des 3. Reiches. Sie signalisiert mir den Schrecken, die Qual, ohnmächtig zu sein, unbeweglich verharren zu müssen und doch zu lesen und zu erfahren, was geschah und was mein Begreifen weit übersteigt. Ich fürchte, dass immer wieder wir dem Hass ausgeliefert werden... und wir trotz allem ungerührt bleiben“, schreibt die Schriftstellerin Ingrid Bachér in ihrer Rede, gehalten im Februar diesen Jahres auf der letzten großen Demonstration gegen die AfD in Düsseldorf.
Im April 2025 wird dann bekannt, dass der Düsseldorfer Kreisverband der rechtsextremen Partei AfD drogensüchtige Obdachlose und Asylbewerber auf dem Gelände einer Kaserne zwangsweise unterbringen will. Die AfD nennt das zynisch „gemeinnütziges Zentrum für Gesundheit und Chance“, kurz ZGC. „In Düsseldorf aufgegriffene obdachlose Personen werden verpflichtend in die ZGC verbracht“, steht im Entwurf des Wahlprogramms. „Nach einer Phase der Entgiftung und körperlichen Genesung“ sei ein „kompaktes Ausbildungsprogramm zwecks gesellschaftlicher Reintegration für die wohnungslosen Menschen vorgesehen“, heißt es weiter. Damit will die AfD der „grassierenden Obdachlosigkeit im Bereich der Innenstadt begegnen und zudem einen Beitrag zur Integration beziehungsweise Reintegration leisten.“
Es ist wieder möglich und es ist vielleicht das Erschreckendste, das eine Partei in Deutschland sich zur Lösung sozialer Probleme an nationalsozialistischem Gedankengut orientiert. „Das ist typischer billiger Rechtspopulismus, eine vermeintlich einfache Lösung zu propagieren und sich gegen die zu wenden, die sich kaum wehren können“, sagt die Rechtsextremismusforscherin Sabine Reimann von der Hochschule Düsseldorf. „Das erinnert an Arbeitslager. Wie geschichtsvergessen oder dreist kann man sein, so etwas zu schreiben?“, kritisiert Michael Harbaum, der Geschäftsführer des Düsseldorfer Drogenhilfezentrum.
Seit Jahren warnt das Straßenmagazin fiftyfifty, vor einem um sich greifenden Sozialrassismus, der sich immer stärker gegen die Ärmsten der Armen richtet. Wir müssen gerade die Schwachen in unserer Gesellschaft schützen. „Lassen wir uns nicht überwältigen. Nennen wir sie beim Namen“, sind die Abschusswort in Ingrid Bachérs Rede.
Und ich sage Ihnen, wir müssen aufhören vor der AfD zu warnen, wir müssen sie bekämpfen.
Herzliche Grüße, Ihr
Oliver Ongaro
Oliver Ongaro ist leitender Streetworker bei fiftyfifty.