fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++ fiftyfifty online lesen +++
 

Das aktuelle Heft online lesen?

Code hier eingeben

Du hast keinen Code? Den Code kannst du auf der Straße bei fiftyfifty-Verkäufer*innen für 2,80 Euro auf einer Rubbelkarte kaufen und dann bis zum Ende des Monats so oft du willst die fiftyfifty online lesen. Den Code erhältst du inklusive eines Loses, mit dem du tolle Preise gewinnen kannst. Das Los haben wir sinnigerweise Obdach LOS genannt.

Vom Leben und Schweben: Jannik Hinsch in „All das Schöne“. © Sebastian Hoppe

Kultur

Duisburg

Eine Liste fürs Leben

Wenn Sie schnell sind, erwischen Sie vielleicht noch einen Zipfel der 46. Duisburger Akzente. Das Festival, Mitte März gestartet, endet am 6. April. Tipp Nr. 1: Das Gastspiel des Staatsschauspiels Dresden mit Duncan Macmillans Stück All das Schöne (2./3. 4., 19:30 Uhr, Theater Duisburg) erzählt von einem Jungen, der eine Liste anlegt aller schönen Dinge im Leben. Er beginnt damit als Siebenjähriger, nach dem ersten Selbstmordversuch seiner Mutter, will ihr zeigen, wofür es sich zu leben lohnt. Dann vergisst er die Liste zeitweilig, aber immer wieder taucht sie auf, wird ergänzt und allmählich zu einem Dokument seines Lebens. Es spielt Jannik Hinsch. Tipp Nr. 2: Im Kleinkunsttheater Die Säule geben Johannes Zirner und seine Kollegin Barbara Petrisch eine szenische Lesung von Christian Krachts gefeiertem Roman Eurotrash (6. 4., 15:30 Uhr, Goldstr. 15). – Und sonst: Ja, nichts ist ok, letzte Arbeit von René Pollesch, Gastspiel mit dem fulminanten Fabian Hinrichs am 29./30. 4. im Theater Duisburg!

 

Düsseldorf

 In Zoma/Addis Abeba haben sie ein Paradies geschaffen: Meskerem Assegued und Elias Sime. Foto: Anne Orthen

Verzauberte Computerplatinen

„Technologie ist wichtig, nimmt uns aber auch vieles“, sagt Elias Sime. Mit seinen zauberhaften Kunstwerken gibt der äthiopische Künstler uns etwas von dem zurück, was verloren zu gehen droht: Stille, Langsamkeit, Sorgfalt, Naturverbundenheit, Respekt vor alten Traditionen. Dabei sind Simes Materialien Computerschrott, Elektrodrähte, Stoffreste, Knöpfe und dergleichen. All das verwandelt sich unter seinen (und seines Teams) Händen in Addis Abeba in imposante, überaus fein gearbeitete Reliefs und Mosaike, die bisweilen an Stadtlandschaften aus der Vogelperspektive erinnern. Reizvolle Kontraste in der Düsseldorfer Ausstellung setzen Ansammlungen von Figuren aus Lehm und Stroh (Affen, Frösche, Fernseher!) sowie von Tongefäßen. Ein geräumiges Studio lädt Klein und Groß zum Selber-Kreativ-Werden ein, und absolutes Muss ist der Film über den traumhaften Park mit Museum, den Elias Sime und seine Partnerin Meskerem Assegued daheim geschaffen haben.

Elias Sime: Echo. Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf. Bis 1. 6.

 

 Else Gores und ihr Sohn Josef, um 1944 (Ausschnitt). Foto: Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf

Die nicht erschossene Frau

Vor 80 Jahren schlugen im Rheinland die letzten Stunden der NS-Herrschaft, und immer noch kam es zu grausamer Gewalt, bis kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner. Der Fall der Düsseldorferin Else Gores (1914-1945) gehört dazu. In ihrer Wohnung fand die berüchtigte Heeresstreife Kaiser einen Deserteur – jemand hatte ihn wohl denunziert –, führten ihn zum Standgericht und erschossen ihn. Stunden später holten sie Else Gores zur Vernehmung ab, brachten sie am nächsten Morgen zum Eller Forst, gaben ihr einen Genickschuss und ließen sie liegen. Holz sammelnde Frauen fanden sie lebend vor, wollten helfen, doch erneut tauchte die Streife auf und verschleppte die Schwerverletzte. Ihre Leiche wurde nie gefunden. Die Autorin Doris Bender-Diebels hat Else Gores unter dem Titel Die nicht erschossene Frau einen Roman gewidmet. Aus dem liest sie am 10. April.

10. 4., 19 Uhr, Theatermuseum, Jägerhofstr. 1, 40479 Düsseldorf

 

 Kästner is watching you: Der Schriftsteller 1962 in einem Münchner Park. Foto: Barbara Niggl Radloff (Archiv des Münchner Stadtmuseums)

Lesestoff, Zündstoff, Brennstoff

Eine Bücherverbrennung 1965 in Düsseldorf? Ja, die hat es gegeben. Überschaubar groß, aber aus inbrünstiger Überzeugung. Und mit Genehmigung des Ordnungsamts. Eine Jugendgruppe des evangelischen „Bundes Entschiedener Christen“ warf „Schundhefte“ und Bücher von Camus, Grass, Kästner, Sagan und anderen in die Flammen und sang dazu etwas von „der frohen Botschaft hellem Schein“. Erich Kästner, wenig später zu einer Lesung in der Stadt, hakte persönlich beim Oberbürgermeister nach. Der wollte den „Dummejungenstreich“ so tief wie möglich hängen. Aber da brachte die mit anwesende Lore Lorentz noch ein paar weitere Vorkommnisse zur Sprache. – In einer Lesung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes und des Heinrich Heine Salons beleuchtet Olaf Cless zusammen mit Mirjam Wiesemann und Peter Heinrich den fast 60 Jahre zurückliegenden Fall. Eine Collage aus dokumentarischen Zeugnissen und literarischen Passagen aus dem damaligen „Brennmaterial“.

„Abgefackelt!“, 9. 4., 19 Uhr (Einlass 18.15 Uhr), zakk, Fichtenstr. 40, 40233 Düsseldorf. Ein Mitschnitt des Abends wird auf YouTube zu sehen sein.

 

Essay

Vom Segen der Siesta

„Der Schlaf ist für den Menschen, was das Aufziehen für die Uhr“, vermutete bereits Arthur Schopenhauer. Heute weiß die Schlafforschung, dass der Schlaf die Konzentrations-,

Leistungs- und Reaktionsfähigkeit des Menschen erhöht und selbst wenige Minuten Mittagsruhe das körperliche, kognitive und emotionale Wohlbefinden nachhaltig fördern. Für ein Nickerchen am Mittag ist im strukturierten deutschen Arbeitsalltag trotzdem wenig Platz. In unserer profitorientierten Wirtschaft wird es als renditelose, vertane Zeit abgewürgt. Was in südeuropäischen Ländern als „Siesta“ traditionell Teil des Tagesablaufes ist, gilt hierzulande nach wie vor als ein Zeichen von Faulheit, Trägheit und Schwäche.

Der deutsch-kroatische Schriftsteller Ben Rakidžija, Gründer und künstlerischer Leiter des Literatur-Festivals Lit.EU sowie auch bekennender Mittagsschläfer, hat dem Thema sein neues Buch gewidmet – eine Gerichtsverhandlung gegen den Mittagsschlaf. Die Anklage lautet: „Deine Schläfrigkeit hat uns allen Schaden zugefügt und Schande gebracht. Wir wissen, dass du zur höchsten Sonnenstunde deinen Dämonen loslässt. Dieser Dämon macht unsere Kaufleute träge und hält sie von wichtigen Geschäften ab (...), er verführt unsere Jugend zum Nichtstun, er ist kostspielig für die Märkte. Heute werden wir über ein Gesetz entscheiden. Wird es angenommen, musst Du unser Land verlassen.“ Den Rest des Buches nimmt die Verteidigungsrede des Mittagsschlafs ein. Mit einem kulturhistorischen Parforceritt rehabilitiert er seinen schlechten Ruf und legt dar, wie eine unausgeschlafene, rastlos gewordene Gesellschaft mit einem zweckfreien Sich-Entspannen und einem vertrauensvollen Loslassen wieder ein Stück ihrer Menschlichkeit zurückgewinnen könnte. Eine aufgeweckte, mit zahlreichen Illustrationen liebevoll gestaltete Apologie des Nickerchens, bei deren Lektüre der Leser nicht müde wird, beifällig zu nicken.

Ben Rakidžija: Verteidigung des Mittagsschlafs. Königshausen & Neumann, Dezember 2024, kartoniert, 126 Seiten, 16 Euro

 

Roman

Aufsteiger am Vesuv

Pompeji im „Jahr 830 nach Gründung der ewigen Stadt“, kurz vor dem Ende. Da gibt es seltsame Natur-Phänomene, die von erfahrenen Beobachtern als Vorboten einer drohenden Katastrophe gesehen und von der Mehrheit konsequent ignoriert oder umgedeutet werden. Da tummeln sich Politiker, die ihre Vergangenheit korrigieren, Arme, die ihre Eltern verleugnen, Reiche, die immer reicher werden und ganz Reiche, die alle anderen verachten; Militärs, die Rom in entfernten Ländern „verteidigen“, Immobilienhaie, die geltendes Recht situationsflexibel dehnen. Da lungern junge perspektivlose Männer herum, die sich zum Kämpfen ertüchtigen lassen, und idealistische Aussteiger, die sich in fruchtlosen Debatten verlieren und deren Utopien schleichend von Großinvestoren vereinnahmt werden. Da predigt ein gewisser Stalo Armut und Gleichheit für alle bis hin zur Sozialisierung der Frauen und gewinnt immer mehr Anhänger. Da entpuppt sich der berühmte Gelehrte Plinius als realitätsblind und unerträglich eitel.

Das alles und noch viel mehr über römisches Recht, Sitten und Süchte, allwissende Sklaven und die geheimen Netzwerke der Macht erfährt die Leserin von dem erzählenden „Wir“. Sie wird eingeführt in die Welt wahlkämpfender Aufsteiger, die schäbigste Intrigen so wenig scheuen wie die Vermarktung der eigenen traurigen Ehe als Ausweis für Treue und Bodenständigkeit. Am besten gefiel der Leserin die Beschreibung des Rhetorikunterrichts, der dazu befähigt, kurze inhaltlose Phrasen als zündende Marke zu verkaufen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

 

Wörtlich 

Mit zentralafrikanischem Gruß“. Albert Schweitzer (1875-1965), Philosoph, Musiker, „Urwalddoktor“ in Lambarene, Friedensnobelpreisträger, in seiner Antwort an Joseph Goebbels, der ihn für das Nazi-Regime gewinnen wollte und „Mit deutschem Gruß“ unterschrieb.