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Ingrid Bachér ist Schriftstellerin. Sie war Mitglied in der Gruppe 47 sowie Präsidentin des PEN-Zentrums. Seit vielen Jahren schon ist sie im Beirat von fiftyfifty aktiv und Autorin dieses Magazins. (Foto: Hubert Ostendorf)

Intro: Ingrid Bachér über Obdachlosigkeit

Es war gestern und könnte heute oder morgen sein - aber es war gestern, ich bin mit der 707-Straßenbahn von der Nordstraße aus zu mir nach Hause gefahren. Ja, ich bin die Glückliche, die ein Zuhause hat - und ich sah zum Fenster hinaus. Ich fahre gerne Straßenbahn, man sieht die Stadt wie im Film, Menschen gehen ihre eigenen Wege, sie tauchen auf und verschwinden und ich denke, wo gehen sie hin, wo kommen sie her, was geschieht mit ihnen, was geschieht durch sie, durch ihr Sein? Es ist das Alltägliche, das mich fasziniert, das Übliche. Und dann plötzlich sehe ich etwas nicht Übliches - noch nicht Übliches: Da liegt ein Mensch, ein junger Mensch, halbbedeckt von seinem Schlafsack, quer mitten auf dem Bürgersteig, und in Höhe seines Kopfes und der Brust liegen Taschen und Beutel. Der junge Mann liegt nicht nah der Hauswand, wie sonst Obdachlose, die dort Schutz suchen und uns auch nicht im Weg sein wollen. Er liegt ruhig mitten auf dem Bürgersteig - und schon bin ich an ihm vorbeigefahren. Doch dies Bild blieb mir, dies Bild dessen, der keinen eigenen Raum für sich und seine notwendigsten Sachen hat, der nicht weiß: Wohin? Irgendwo muss er sich ja ausruhen können. Er braucht einen Ort, wo er für sich sein kann, und wenn er keinen hat, dann bestimmt er diesen Ort mitten sichtbar auf dem Bürgersteig. Ja, er will sichtbar sein, und das ist richtig so, denn gehört ihm, dem Bürger, nicht auch der Bürgersteig? Und er ist doch ein Bürger - wie alle anderen. Natürlich wird der junge Mann nicht lange dort liegen, obwohl er nur im Wege liegt, man ihm ausweichen kann. Die Ordnungskräfte werden ihn vertreiben und besonders energisch vertreiben, weil sie Angst haben, dass es nicht bei einem Einzelnen bleiben wird, dass es immer mehr Obdachlose geben wird, Wohnungslose, Flüchtlinge, Verzweifelte, die sich mitten auf den Bürgersteig legen werden und fragen, wohin es mit ihnen gehen soll.

Wir wissen, die Zahl der Obdachlosen, der Wohnungslosen, wird weiter steigen, beschleunigt durch die Politik des ständigen Zuflusses von neu in den Markt hinein gepumpten Geldes, das von prozentual nur wenigen Menschen gut genutzt werden kann, um in real geschaffene Werte eingetauscht zu werden. Und das sind nun mal Immobilien, Spekulationsobjekte wie Wasser, Nahrungsmittel und viele andere, und diese real geschaffenen Werte werden immer kostbarer, für viele unbezahlbar. Wehren wir uns? Wir können resignieren, demonstrieren oder handeln. fiftyfifty hat das früh erkannt und ist erfindungsreich darin ist, Gelder für vernünftige, hilfreiche Projekte zu gewinnen, hat erkannt, dass keine soziale milde Gabe langfristig den Menschen helfen kann, die nicht mal nachts sicher sein können, ein trockenes Dach überm Kopf zu haben. Und da keiner einem unsicheren „Vagabunden“ eine Wohnung oder auch nur ein Zimmer vermietet, kauft fiftyfifty Wohnung um Wohnung, damit sie eine Bleibe haben, einen festen Boden unter den Füßen.

Ihre Ingrid Bachér