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Erich Fromm (1974), Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe, Foto: Müller-May / wikipedia

Erich Fromm - Zum 125. Geburtstag

„Jahrhundertelang haben Könige, Priester, Feudalherren, Industrielle und Eltern darauf bestanden, daß Gehorsam eine Tugend und Ungehorsam ein Laster sei. Ich möchte hier einen anderen Standpunkt vertreten und dem folgendes entgegenhalten: Die Menschheitsgeschichte begann mit einem Akt des Ungehorsams, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie mit einem Akt des Gehorsams ihr Ende finden wird.“  Erich Fromm (1900-1980) wurde als Kind jüdisch-orthodoxer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Er gilt weithin  als der bedeutendste Vertreter des Humanismus des 20. Jahrhunderts. Der deutsch-US-amerikanische Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe hat mit seinen zahlreichen Publikationen wie kaum ein anderer Humanwissenschaftler weltweit gewirkt. Seine philosophisch-gesellschaftskritischem Werke, in denen er eine humanistische Ethik vertritt, wie z. B. in der Kunst des Liebens (1956) oder in Haben oder Sein (1976), erreichten Millionenauflagen und fanden -  in zahlreiche  Weltsprachen übersetzt -  international eine begeisterte Leserschaft. Bis heute haben sie nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Im März 2025 jährt sich Erich Fromms 125. Geburtstag.  

„Wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe, und dann verliere, was ich habe?“, fragt Erich Fromm in seinem Alterswerk Haben oder Sein, einer massiven Kritik am konsumorientierten Kapitalismus, einer Analyse der westlichen Gesellschaft, die zunehmend vom Streben nach Besitz, vom markt- und konsumorientierten „Haben“ dominiert wird. Eine Zeitdiagnose, die heute noch trifft. Darin heißt es: „Unsere Konsum- und Marktwirt beruht auf der Idee, daß man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muß für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Dass Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, dass Glück das Billigste ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen.“ Steigender Konsum ist zur Zauberformel für Wohlstand und Wachstum geworden,  Haben und Habenwollen. Kaufen und Besitzen haben sich zum zentralen Lebensinhalt des modernen Menschen entwickelt.  Der Mensch ist der Diener des Wirtschaftssystems, und er will immer mehr haben, weil das System es so vorsieht. Der Konsum muss permanent gesteigert und immer neue Bedürfnisse erfunden werden. Der Mensch wird letzten Endes ein Gefangener seiner eigenen Gier, seiner Machtgier, seiner Geldgier, seiner Geltungsgier. „Die Gier ist immer das Ergebnis einer inneren Leere“, weiß Fromm.

Um die Illusion der „Haben-Menschen“ nicht zu gefährden, Besitz und Konsum seien Garanten des Glücks, müssen sie stets aufs neue durch sog. „Autoritäten“ manipuliert werden: „Die Inhaber der Autorität und jene, die Nutzen daraus ziehen, müssen die Menschen von dieser Fiktion überzeugen und ihr realistisches, das heißt kritisches Denkvermögen einschläfern. Jeder denkende Mensch kennt die Methoden der Propaganda, Methoden, durch die die kritische Urteilskraft zerstört und der Verstand eingelullt wird, bis er sich Klischees unterwirft, die die Menschen verdummen, weil sie sie abhängig machen, und sie der Fähigkeit berauben, ihren Augen und ihrer Urteilskraft zu vertrauen. Diese Funktion, an die sie glauben, macht sie für die Realität blind.“ Als Psychoanalytiker war Erich Fromm davon überzeugt, dass die Kultur der westlichen Welt mit ihrem „Materialismus“ und „Konsumdenken“ elementaren menschlichen Grundbedürfnissen zuwiderläuft. „Mehr und mehr tun wir nur das, was einen Zweck hat“, beklagte er in einem Interview. Der Einzelne drohe dabei krank und unglücklich zu werden, weil es durchaus sein könnte, dass eine florierende, stetig wachsende Wirtschaft nur mit Hilfe vonneurotischen, sich selbst entfremdeten Menschen garantiert werden könne. Die Folge:  „Wir sind eine Gesellschaft notorisch unglücklicher Menschen: einsam, von Ängsten gequält, deprimiert, destruktiv, abhängig - jene Menschen, die froh sind, wenn es ihnen gelingt, jene Zeit 'totzuschlagen', die sie ständig einzusparen versuchen.“

Olaf Cless