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Crack ist ein Symptom tiefliegender gesellschaftlicher Missstände - Missstände, die nur durch langfristige soziale Investitionen überwunden werden können. Foto: Adobe-Stock

Crack: Wie ein Zug, der durch den Kopf fährt

Die Droge Crack ist weiter auf dem Vormarsch - mit furchtbaren Auswirkungen. Doch könnte die Gesellschaft gegensteuern.

Eine alte Droge breitet sich derzeit insbesondere unter Obdachlosen aus: Kokainhydrochlorid. Besser bekannt als Crack. Leicht zu haben, verhältnismäßig günstig und extrem schnell wirksam. Eine schmutzige Variante von Kokain, mit Natron erhitzt, wird rauchbar gemacht. Lange Zeit konzentrierte sich der Crack-Konsum in Deutschland vor allem auf Städte wie Frankfurt, Hannover und Hamburg, doch in den letzten Jahren beobachten auch andere Städte eine deutliche Zunahme, darunter Düsseldorf.

Wahrscheinlich zufällig, beim Versuch, Kokain durch Zusatz von Backpulver zu strecken, ist Crack Mitte der 80er Jahre in amerikanischen Großstadtslums entdeckt worden. Der Name stammt vom charakteristischen Geräusch, einem Knacken, das beim Erhitzen der „Steine“ entsteht.

Das Besondere an der Droge: Sie geht sofort ins Blut und in den Kopf. Schon nach wenigen Sekunden setzt die Wirkung ein - wesentlich schneller und stärker als bei Kokain in geschnupfter Form. Und: genauso schnell lässt der Rausch auch wieder nach. Der kurze Kick fühle sich an „wie ein Zug, der durch den Kopf fährt”, so Jan R., der regelmäßig Crack konsumiert. Diese Metapher eines Abhängigen trifft es gut: Crack greift massiv in die Hirnchemie ein.

Die Wirkung ähnelt der von Kokain: Crack wirkt einerseits beruhigend, andererseits und insbesondere aber euphorisierend und stimmungsaufhellend. Viele fühlen sich nach dem Konsum energiegeladen. Rauchen, einmal ausatmen und da ist es schon wieder: das Verlangen nach dem nächsten Zug und einem ununterbrochenem Konsum, Expert*innen nennen dies Binge-Konsum. „Sobald ich ausatme, möchte ich direkt weiter rauchen", erzählt Jan. Denn der Entzug ist schrecklich. Wenn die Wirkung nach schon etwa zehn Minuten wieder nachlässt, setzen heftige Schmerzen ein und ein unermessliches Verlangen nach Mehr.

„Die Abhängigkeit von Crack ist schneller da als bei anderen Substanzen“, erklärt Michael Harbaum, Geschäftsführer der Drogenhilfe Düsseldorf. Er arbeitet seit vielen Jahren mit Suchtkranken und beobachtet, dass die intensive Wirkung und das schnelle Nachlassen des Rauschs weitreichende Folgen für die Betroffene hat: „Das Verlangen nach dem nächsten Kick schon kurze Zeit nach dem letzten ist so stark, dass oft alles andere in den Hintergrund rückt“, beschreibt er. Essen, Trinken, Körperpflege, Beziehungen - all das bleibt auf der Strecke. Der Alltag von Crack-Konsumierenden wird nahezu komplett vom Konsum und der Geldbeschaffung bestimmt. Während bei anderen Substanzen wie Heroin oft mehrere Stunden zwischen den Konsumvorgängen vergehen, bietet Crack kaum Raum für Pausen. Diese Dynamik verstärkt nicht nur die Verelendung mit gesundheitlichen und sozialen Folgen, sondern erschwert auch den Ausstieg aus der Abhängigkeit.

In den letzten Jahren konnte Harbaum eine erhebliche Zunahme an Crack-Konsumvorgängen feststellen. Die Zahlen sind erschreckend: 2016 wurden im Düsseldorfer Drogenkonsumraum noch 210 Crack-Konsumvorgänge erfasst. 2023 waren es dann über 30.000; die Zahl der Konsumierenden lag bei etwa 900. Die Gründe für diesen Anstieg sind vielfältig: „Crack ist verhältnismäßig günstig und leicht verfügbar“, erklärt Harbaum. Das macht die Droge insbesondere für benachteiligte Personengruppen attraktiv: Auch als „Kokain der Armen” bezeichnet, konsumieren vor allem Menschen in prekären Lebenslagen regelmäßig Crack. Dazu zählen insbesondere auch wohnungslose Menschen. Ohne festen Wohnsitz, abgeschnitten von stabilen sozialen Netzwerken und ohne Perspektiven sind sie besonders anfällig für die Droge. „Viele kommen zu uns, weil sie weder ein Zuhause noch eine Struktur in ihrem Leben haben“, erklärt Harbaum. Wohnungslosigkeit und Sucht sind eng miteinander verbunden. Für viele ist Crack der einzige Ausweg aus einer Realität, die kaum auszuhalten ist. Im Umfeld von Notunterkünften und Hilfseinrichtungen ist Crack deshalb oft präsent. Menschen, die auf der Straße leben, greifen zunehmend zu der Droge, weil sie den Moment überstehen lässt - die Kälte, den Hunger, die ständige Einsamkeit. 

„Ob ein Mensch eine Sucht entwickelt, liegt nicht allein am Suchtstoff, sondern in ganz wesentlichen Punkten auch daran, wie es ihm im Leben geht. Das heißt: Wie gut ist er eingebunden im Leben? Hat er ein stabiles soziales Umfeld? Wie ist seine finanzielle Situation?” erklärt Harbaum. Die Crack-Konsumierenden, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sind oft Menschen, die schon seit Jahrzehnten suchtkrank sind. Menschen, die ihre Probleme vergessen wollen. „Das sind Leute, die keinerlei Perspektive mehr sehen. Sie haben oft multiple Traumata und keine Resilienz mehr, um mit der Realität umzugehen“, so Harbaum. Und der Crack-Konsum verstärkt oft den Teufelskreis aus Sucht, Perspektivlosigkeit und sozialer Isolation. Grund zur Sorge, dass Crack zur Alltags- und Partydroge wird, bestehe also nicht, versichert Harbaum. Zwar gibt es auch Menschen, die gelegentlich Crack nehmen - diese tauchen allerdings nicht in Statistiken auf und werden nicht in der Berichterstattung erwähnt. Dadurch entsteht oft ein falscher Eindruck von: „Einmal Crack - immer Crack“. Dies so verallgemeinert zu sagen, sei schwierig und zu undifferenziert. Trotzdem bleibt klar: Crack hat ein sehr hohes Abhängigkeitspotential - unter allen Drogen teilt es sich mit Heroin und Kokain den ersten Platz und bisher gibt es noch keine Substitutionsmöglichkeiten. 

Die Herausforderungen, die mit Crack-Konsum einhergehen, machen deutlich, dass es nicht nur um die Droge selbst geht, sondern vor allem um die Lebensumstände der Betroffenen. Die Droge ist dabei weniger die Ursache des Problems als ein Symptom tiefliegender gesellschaftlicher Missstände - Missstände, die nur durch langfristige soziale Investitionen überwunden werden können. Der aktuelle Umgang mit dem Thema sei „katastrophal“, so Harbaum. Ohne grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft, die soziale Isolation, Armut und Perspektivlosigkeit bekämpfen, werde es kaum gelingen, den Kreislauf aus Sucht und Ausgrenzung zu durchbrechen. Genau hier setzt eine zentrale Forderung an: „Wir müssen endlich anerkennen, dass es sich bei Sucht um eine Krankheit handelt”, appelliert Harbaum. Das sei wissenschaftlich längst bekannt, aber es werde nicht danach gehandelt. „Auf der einen Seite heißt es: Diese Leute sind krank. Aber wehe, sie sind öffentlich sichtbar, dann stören sie,” sagt Harbaum empört. Diese Haltung in der Gesellschaft sei paradox und verhindere effektive Hilfsstrategien. Um das Drogenproblem zu lösen, müsse es in erster Linie entkriminalisiert werden, sagt Harbaum.

Denn Polizei und Einrichtungen sind sich schon lange einig: Repression und Bestrafung sind in der Bekämpfung des Drogenproblems nicht zielführend. O-Ton Harbaum: „Wenn wir wollen, dass Menschen nicht mehr im öffentlichen Raum konsumieren, müssen wir den Handel und Konsum in die Einrichtungen holen. Verbieten nützt nichts, weil es nicht zur Lebensrealität der Menschen passt.“ Ein Beispiel aus Zürich zeigt, wie es gehen kann: Dort wurde die offene Drogenszene durch ein differenziertes Suchthilfesystem stark reduziert. Die Verlagerung in die Einrichtungen muss dabei mit einer guten personellen Ausstattung und ausreichend Plätzen einhergehen. Doch es geht um mehr als nur pragmatische Lösungen. „Wir müssen aufhören, mit dem Finger auf diese Leute zu zeigen“, fordert Harbaum. „Wieso grenzen wir die Leute überhaupt erst so weit aus, dass es dazu kommt? - Nur um dann mit dem Finger auf sie zu zeigen?“ Die Lösung liege nicht allein in der Veränderung individueller Schicksale, sondern im strukturellen Wandel. Harbaum: „Es braucht Investitionen in Prävention, soziale Sicherung und Therapieangebote.“ Maßnahmen, die langfristig eine inklusive Gesellschaft fördern, in der niemand das Gefühl hat, den Alltag nur durch Drogen ertragen zu können.

Noemi Pohl