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Die Französin Violette Lecoq hat als Insassin in Zeichnungen die Grausamkeiten und das Morden im Frauen-KZ-Ravensbrück festgehalten. Sie wurde 1912 in Frankreich geboren und gehörte zur Resistance.

Zur Befreiung vom Faschismus vor 80 Jahren: Gedanken zum Gedenken

In diesen Wochen wird die Befreiung von Faschismus und Krieg in zahlreichen Ländern Europas gefeiert. Als Feiertag und Gedenktag. Als Synonym für Freiheit und Frieden, auch als Hoffnung auf eine andere Welt. Florence Hervé erinnert an Frauen, die sich der Nazi-Diktatur entgegengestellt haben.

Gründe, die Befreiung zu feiern, gibt es mehr als genug: So das Ende der mörderischen faschistischen Herrschaft und der Konzentrations- und Vernichtungslager wie Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Mauthausen, Ravensbrück und Stutthof. So das Ende der Besatzung und der Ausbeutung von Zwangsarbeiter*innen in ganz Europa. Und das Ende von Rassismus und Antisemitismus. Die Befreiung war verbunden mit der Hoffnung auf Freiheit und Frieden. Für Frauen bedeutete sie auch: Schluss mit Sexismus und Gewalt, mit der Verdrängung aus Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, mit dem Ausschluss von den Bürgerrechten, Schluss mit der militärischen Dienstverpflichtung, Schluss mit rassistischen Einrichtungen wie Lebensborn - „arische“ Kinderzucht-Anstalten, die, so Himmler, in 30 Jahren 600 Regimente bringen sollten. Schluss mit diskriminierenden Frauenleitbildern und Ideologien („Die Frau gehört ins Haus“ - Verpflichtung der Frau in Haushalt und Familie) sowie Schluss mit Verbot und Verfolgung von demokratischen Frauenorganisationen. Nach dem Aufbruch der Frauen in den 20er Jahren hatte der Faschismus mit seiner frauenfeindlichen Politik in Deutschland sie um Jahrzehnte zurückgeworfen.

 

Befreiung und gewonnene Freiheiten

Millionen Frauen waren in Europa Opfer von Gräueltaten und Massengewalt gewesen. Besatzung und Krieg hinterließen individuell und gesellschaftlich schwere Spuren und Wunden. Die Befreiung war mit gewonnenen Freiheiten verbunden: Im Widerstand hatten zahlreiche Frauen sich von festgelegten Geschlechterrollen befreit, Ansätze von Frauenemanzipation gelebt. Der beachtliche Frauenwiderstand stellte in vielen Ländern die Weichen für einen frauenemanzipatorischen Diskurs. Und er erwies sich als identitätsstiftend für die Beteiligten, die daraus Selbstbewusstsein schöpften und Identifikationsmöglichkeiten für die Zukunft gewannen.
An der Befreiung vom Faschismus waren Millionen Frauen in Europa beteiligt - ohne Frauenwiderstand hätte es keine Befreiung gegeben. Ohne Befreiung keine neuen Freiheiten für Frauen. So wurde nach 1945 das Frauenwahlrecht in mehreren Ländern, darunter Frankreich, Italien, Slowenien und Bulgarien, eingeführt, als Anerkennung des widerständigen Frauenengagements. Erstmalig wurden Frauen in Parlamenten und Politik beteiligt: zum Beispiel in Frankreich die Ravensbrück-Deportierten und Simone Veil (Mitglied und Präsidentin des EU-Parlaments) - als Gesundheitsministerin führte sie das Gesetz zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ein - und Marie-Claude Vaillant-Couturier (Abgeordnete und Vizepräsidentin der Nationalversammlung), Zeugin im Nürnberger Prozess. In Italien die Aktivistinnen für Frauenrechte und kommunistischen Abgeordneten sowie Gewerkschafterinnen Adele Bei und Teresa Noce. Viele ehemalige Widerstandskämpferinnen waren bis zu ihrem Tod aktiv als Zeitzeuginnen und als Aktivistinnen für Frauen- und Menschenrechte. 

 

Länderübergreifende Solidarität

In Zeiten schlimmster Ausbeutung, Erniedrigung und Entmenschlichung waren auch länderübergreifende Frauenfreundschaften im antifaschistischen Kampf entstanden, im Exil, gar in den Konzentrationslagern - zwischen Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten wie unterschiedlicher Weltanschauung. Auf der Grundlage erfahrener Solidarität gründeten Antifaschistinnen aus 41 Ländern 1945 die Internationale Demokratische Frauenföderation IDFF mit Sitz in Paris. Unter ihnen deren Generalsekretärin Marie-Claude Vaillant-Couturier in Frankreich, die italienische Partisanenpädagogin und Vizebürgermeisterin von Turin Ada Gobetti, die an der Verteidigung Moskaus beteiligte Russin Nina Popowa und die Spanierin Dolores Ibárruri, bekannt als „La Pasionaria“. Auf der Tagesordnung standen vorrangig die Verbesserung der Lage der Frauen, die endgültige Vernichtung des Faschismus und die Sicherung von Frieden. Der Kalte Krieg hatte alsbald gravierende Auswirkungen auf die Arbeit der IDFF, auf die Lage der Frauen in Europa insgesamt und auf das Gedenken. Frauenrechte wurden zur Nebensache erklärt, von der „großen Politik“ weggedrängt. Und die Erinnerung an die Widerstandskämpferinnen blieb im Schatten der Geschichte - wiederentdeckt wurden sie im Zuge der Frauenbewegung und -forschung der 80er Jahre.

 

Frauenwiderstand heute

In diesen Wochen finden in Deutschland (endlich) zahlreiche Ausstellungen und Diskussionen zum deutschen und europäischen Frauenwiderstand statt. Erfreulicherweise wurden, nach dem Bundestagsbeschluss zur Würdigung des Frauenwiderstands vor fünf Jahren, mehrere hundert Widerständlerinnen von der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand aus dem Schatten geholt.* Zu hoffen ist eine Weiterführung des Projekts, unter Einbeziehung des europäischen Frauenwiderstands und unter stärkerer Berücksichtigung des bisher vernachlässigten Arbeiterinnenwiderstands. Denn die Widerständigen machen Mut für das heutige Auftreten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Sexismus. Frauenwiderstand ist nicht nur ein spannendes und lebendiges Erbe. Frauenwiderstand ist auch heute, in Zeiten einer gefährlichen Rechtsentwicklung in vielen Ländern der Welt, notwendig.

Julia Pirotte: Befreiung in Marseille, Ende August 1944.

 

Drei Widerstandskämpferinnen

Drei Kurzportraits von Widerstandskämpferinnen, stellvertretend für die vielen, die ihr Leben riskierten. Sie widerspiegeln die Vielfalt der Widerstands: die schwarze Sängerin, Tänzerin und Spionin Josephine Baker (transnationale Résistance), die französisch-russische Dichterin Elsa Triolet (literarische Résistance) und die italienische Partisanin Giacomina Castagnetti.** 

Giacomina Castagnetti (1925 - 2024)

Sie kam aus einer antifaschistischen Familie der Emilia Romagna. Als Italien 1940 an der Seite Deutschlands in den Zweiten Weltkrieg eintrat, war sie aktiv in der Roten Hilfe. 1943 schloss sie sich dem Widerstand gegen die Nazis und die italienischen faschistischen Kollaborateure an, in den „Gruppen zur Verteidigung der Frau und zur Unterstützung der bewaffneten Kämpfer“. Diese gaben Frauenzeitungen heraus, unterstützten Gefangene und deren Angehörigen. Doch ihr erstes Ziel war es, gegen den Krieg zu kämpfen. Sie diskutierten aber auch über Frauenrechte. Neben Aufklärung und ziviler Hilfestellung für den Partisanenkampf arbeitete Giacomina konspirativ als Stafette. Die Stafetten verbanden die bewaffneten Formationen in den Bergen mit den Führungszentren im städtischen Untergrund. Giacomina übermittelte Nachrichten, transportierte illegale Drucksachen, Lebensmittel und Geld, auch Munition, Waffen und Sprengstoff, versteckt im Einkaufskorb unter den Kartoffeln. Eine gefährliche Arbeit, auf die die Partisanen angewiesen waren. Bei Kriegsende war vielen Frauen bewusst, dass ihr Beitrag für die Befreiung des Landes wesentlich war. Den Frauen das Wahlrecht zu geben, war somit nur folgerichtig.

(Text: Nadja Bennewitz, gekürzt / Jugendfoto.

 

Elsa Triolet (1896 - 1970)

Jugendfreundin des Poeten Majakowski, Schwester der Regisseurin und Bildhauerin Lilja Brik, Lebensgefährtin und Muse des Dichters Aragon: die französische Schriftstellerin russisch-jüdischer Herkunft engagierte sich früh in der Résistance, in Worten und Taten. Keine ungefährliche Sache, denn nach einem Befehl der Gestapo war „die Jüdin, Mätresse eines Kommunisten“ sofort zu verhaften. Im Untergrund beteiligte sie sich an der Bildung eines Netzwerks der Intellektuellen, im Nationalkomitee der Schriftsteller*innen, neben Camus, Vercors und Eluard. Aragon und sie fanden Zuflucht in einem der kargen und einsamen Bergdörfer der Drôme, im Ort Dieulefit, wo bereits 1.500 Geflüchtete versteckt lebten. Die Zeit der Résistance war literarisch für das Paar äußerst produktiv. Elsa Triolet schrieb Reportagen über das verwüstete Land, über die Aktivitäten der Maquis und der Freischärler*innen sowie über die beachtliche Rolle der Frauen in der Résistance. Für ihre Novellensammlung Das Ende hat seinen Preis erhielt sie 1944 die höchste literarische Auszeichnung, den Prix Goncourt - als erste Französin. In Die Liebenden von Avignon (1943) stehen Besetzung, Krieg und Widerstand im Mittelpunkt. Auch nach dem Krieg engagierte sich Triolet für Frieden.

(Foto von 1925: Wikipedia)

 

Josephine Baker (1906 - 1975)

Bekannt wurde sie als Nackttänzerin mit dem Bananenröckchen. Kaum bekannt waren ihre Aktivitäten in der französischen Résistance - bis zu ihrem postumen Eintritt in das Pariser Panthéon 2021. Die in St Louis geborene afroamerikanische Freda Josephine MacDonald wuchs in armen Verhältnissen auf. Dienstmädchen mit acht Jahren, erste Heirat mit 13, Charleston-Tänzerin und Jazzsängerin mit 19 in Paris. Mit Tourneen in der ganzen Welt, zu einer Zeit wo „Negerjazz“ in Deutschland als „Ausdruck des kulturbolschewistischen Judentums“ gebrandmarkt wurde. Sie engagierte sich gegen Antisemitismus, für Flüchtlinge, und wurde 1939 vom französischen Auslandsgeheimdienst rekrutiert. 1940 zog sie in das Schloss Les Milandes in der Dordogne, das zu einem konspirativen Treffpunkt wurde. Dort versteckte sie jüdische Flüchtlinge und Agenten der Spionage-Abwehr, baute ein Waffenlager für die Résistance auf und leitete Informationen an die alliierten Geheimdienste. Die Vertreterin des Freien Frankreichs trat in Nordafrika auf - ihre Gagen schenkte sie der Armee und dem Sozialwerk der weiblichen Luftwaffe, der sie als Unterleutnant angehörte. Nach dem Krieg lebte sie ab 1954 mit ihrer „Regenbogenfamilie“ - zwölf adoptierte Kinder verschiedener Ethnien und Nationalitäten - in der Dordogne. Bis zu ihrem Tod war sie aktiv gegen rassistische Diskriminierung.

(Foto von 1948: Wikipedia)

 

*Gedenkstätte Deutscher Widerstand: Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung, Berlin 2024 https://www.frauen-im-widerstand-33-45.de/veranstaltungen.
**Florence Hervé (Hg.): „Ihr wisst nicht, wo mein Mut endet“. Europäischen Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg, Köln 2024; „Mit Mut und List“, Köln 2023 (3.Aufl.)

 

Veranstaltungen mit Florence Hervé

Juliette Gréco und Barbara - Grandes Dames des französischen Chansons. Vorgestellt von Florence Hervé.

Es liest: Christiane Lemm. Musik: Mayo Velvo. Mi 6.03.2025, 19-21 Uhr, VHS Steinsche Gasse Duisburg, Deutsch-französische Gesellschaft / So 16.03.2025, 11 Uhr, Halle im zakk Düsseldorf, Fichtener. 40.

Juliette Gréco (1927-2020), deren Mutter und Schwester als Aktivistinnen der Résistance nach Ravensbrück deportiert wurden, war Schauspielerin im Theater und in mehr als 30 Filmen. Sie verkehrte in den Existentialisten-Kreisen der 50er-Jahre - Jean-Paul Sartre, Albert Camus und Françoise Sagan schrieben Texte für sie. Sie sang auch Lieder u. a. von Jacques Brel, Boris Vian und Charles Aznavour. / Barbara (1930-1997) war Chansonnière, Liedtexterin und Komponistin. Ihre jüdische Familie musste sich während der deutschen Besatzung verstecken. Barbara verkehrte früh in Künstlerkreisen, als „Mitternachtssängerin“ trug sie auf Kleinkunstbühnen Chansons von Edith Piaf, Georges Brassens und anderen vor, bevor sie ihr eigenes Repertoire entwickelte. Ihr Lied ,Göttingen‘ ist ein Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft.