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Dann hängst du bei uns an der Wand

Zum Tod unseres langjährigen Verkäufers André Kurkowiak

„Olli, du weißt nicht mehr wer ich bin, wir kennen uns von früher“, sagte eine raue Stimme zu mir. „Ich war da doch öfter bei euch, als ihr eure Beratungsstelle noch in der Altstadt hattet.“ Die Stimme gehörte zu André. Er bräuchte dringend eine Hütte, also eine Wohnung, in der städtischen Notunterkunft sei es furchtbar. Er müsse neu anfangen, er wolle noch was Anderes vom Leben, das alles hinter sich lassen, die Drogensucht, die Obdachlosigkeit, den Knast, die Perspektivlosigkeit. Das ist jetzt fünf Jahre her.

André hatte eine spezielle, aber unwiderstehliche Art, einem Dinge aus dem Kreuz zu leiern. Öfter habe ich zu ihm gesagt, er solle mir keine Frikadelle ans Ohr reden. Dabei war es gerade diese kauzige Eckkneipenschnauze, die viele Menschen dazu brachte, ihm zuzuhören. Ob es Studierende von der Hochschule waren, beim Projekt „Straßenleben“, wo ehemalige Obdachlose als Stadtführer*innen ihre Orte zeigen, oder bei den zahlreichen Pressegesprächen und Interviews, die André für fiftyfifty gegeben hat. Zu sagen hatte er eine Menge: über das Leben auf der Straße, die Sucht, die soziale Ungerechtigkeit. André hatte eine einnehmende Offenheit, wenn er erzählte. Dabei schimmerte dann immer auch dieser andere André durch – raue Schale, weicher Kern, ein verletzter Mensch. Jemand, der viele Schicksalsschläge hatte einstecken musste: Trennung von seiner Frau, Tod seiner Tochter. Jemand, der häufig falsch abgebogen ist im Leben und das auch wusste.

Nicht lange nach unserem Wiedersehensgespräch hat André im Rahmen unseres Housing-First-Projektes tatsächlich ein eigenes Apartment im Stadtteil Bilk bekommen. Er hat es sehr schön eingerichtet, sich sogar zwei Terrarien gebastelt, in die zwei Bartagamen eingezogen sind – Schuppenkriechtiere aus Australien, die in entsprechenden Fachgeschäften zu kaufen sind. Außerdem hat André sich einen Hund zugelegt, Diablo, der sein Ein und Alles wurde. Zudem ein gebrauchtes Rennrad, an dem er ständig rumgebastelt hat. Und natürlich ist er zur Fortuna ins Stadion gegangen, seinem Lieblingsverein, dessen Logo er stets auf dem Schirm seiner Kappe stolz herumtrug.

André hat viel hinter sich gelassen und ist immer wieder neu angefangen. Nur die Sucht, die hat ihn immer wieder eingeholt. Wir haben oft darüber geredet: „Wenn du den Alkohol nicht weglässt, hängst du irgendwann bei uns an der Wand“, sagte ich ermahnend. Das meint eine Wand in unserer Beratungsstelle, an die Todesanzeigen gepinnt werden. Nun also auch André. Seit dem 16.Juni hängt sein Foto dort. Sein Körper hat den jahrelangen Raubbau durch die Sucht-Erkrankung nicht mehr verpackt. André wurde nur 44 Jahre alt. Seine letzten Jahre waren sicherlich nicht seine schlechtesten. Ich und alle, die ihn kannten und wertschätzten, werden seine Stimme noch öfter im Ohr haben.

Oliver Ongaro, Streetworker bei fiftyfifty

 

Hilfe für Andrés Hund Diablo

Ein Unglück kommt selten allein. Andrés Hund Diablo wurde leider angefahren und wird nun mit Unterstützung des Tierheimes Düsseldorf und einer Spenden-Akquise durch seine Stammkund*innen (Bilker Kiez) medizinisch behandelt. Wir bitten im Sinne von André um Spenden für seinen geliebten Vierbeiner – damit er im wahrsten Sinne des Wortes - wieder auf die Beine kommt.

Asphalt e.V./fiftyfifty, DE35 3601 0043 0539 661 431, Stichwort: Diablo. / https://www.fiftyfifty-galerie.de/spenden

 

André noch einmal erleben

André war alternativer Stadtführer im Projekt strassenleben.com. Weil die Touren während der Corona-Pandemie lange ausgefallen sind, hat er (zusammen mit Sandra und Rüdiger) eine Online-Führung veranstaltet, die mit nachfolgendem aufgerufen werden kann. Für alle, die André vermissen, und die, die seine beliebten Führungen immer verpasst haben.

https://www.youtube.com/watch?v=TvMU1InBbBY&feature=youtu.be