Corona: Neue Armut, verfestigte Armut

Seit nunmehr acht Monaten befinden wir uns in der „neuen“ Zeitrechnung, und in den letzten Ausgaben der fiftyfifty haben sich viele Autor*innen mit der neuen Armut durch die Corona-Pandemie befasst. Armut gab es bereits vor Corona - dass die Pandemie die Armen unserer Gesellschaft besonders hart trifft, hat sich jedoch leider bewahrheitet. Gemeinsam mit dem Düsseldorfer Kulturzentrum zakk und durch eine Förderung von Aktion Mensch sowie der Bürgerstiftung hat fiftyfifty über vier Monate eine Lebensmittelausgabe durchgeführt – zu einer Zeit, als viele Ausgabestellen der Tafel geschlossen wurden. Wir sind dabei unserem Grundsatz treu geblieben: Aktive Nothilfe leisten und gleichzeitig eine auskömmliche Grundversorgung fordern, die diesen Namen auch tatsächlich verdient. Das ist unser Prinzip seit 25 Jahren.

Um mehr über die Lebenswelten der Nutzer*innen der Lebensmittelausgabe im zakk zu erfahren, führte das Institut „InLust“ unter der Leitung von Prof. Dr. Anne van Rießen und Prof. Dr. Reinhold Knopp eine Befragung durch. Die Ergebnisse dieser Studie sind in mehrfacher Hinsicht erschreckend. So ist zum Beispiel die Zahl derer, die angeben, dass sie erwerbslos bzw. erwerbssuchend sind, um ca. 10 Prozent seit der Corona-Pandemie angestiegen. Und, besonders krass: Etwa die Hälfte der Befragten hat vor Corona keine Lebensmittelspenden in Anspruch nehmen müssen.

Dazu gab es nach einer Pressekonferenz umfangreiche Berichte in den Medien.

https://www.bild.de/regional/duesseldorf/duesseldorf-aktuell/duesseldorf-1-hochschul-studie-zeigt-die-wahrheit-ueber-corona-armut-72867326.bild.html

http://rp-epaper.s4p-iapps.com/artikel/985001/17416161

http://reader.nrz.de/nrzdusseldorf/570/article/1207629/9/3/render/?token=745dda9a344d7e10806a7c7b844edede

https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-duesseldorf/video-lokalzeit-aus-duesseldorf---768.html (ab 11.24)

Eines steht demnach fest: Nothilfe allein ist nicht ausreichend und kann sogar Strukturen, die Ungerechtigkeit fördern, manifestieren. Denn das Ziel ist und bleibt ja eine gerechte Gesellschaft, in der „die neue Mitleidsökonomie im Angesicht der Covid-19-Pandemie“, so der Titel eines Aufsatzes von Fabian Kessl (2020), hinterfragt wird. Geht es doch stets um den Widerspruch zwischen mitleidsökonomischen Hilfsangeboten sowie spendenbasierter Mildtätigkeit einerseits und der beharrlichen Forderung einer bedarfsdeckenden staatlich garantierten Grundversorgung andererseits. Wer glaubwürdig helfen will, kann das Eine nicht tun, ohne das Andere zu lassen. fiftyfifty jedenfalls steht seit 25 Jahren für das Konzept innovativer und partizipativer Hilfe zur Selbsthilfe und der permanenten Kritik an Verhältnissen, die überhaupt erst Hilfsbedürftigkeit produzieren. Auch in den nächsten 25 Jahren bleibt viel zu tun. Bereits heute aber gilt: fiftyfifty ist in diesen schweren Zeiten für obdachlose Menschen wichtiger denn je. Insofern danke ich Ihnen, dass Sie diese Zeitung gekauft haben. Bleiben Sie uns weiterhin treu.

Julia von Lindern, Streetworkerin bei fiftyfifty und Lehrbeauftragte an der Hochschule Düsseldorf.