Frohe Ostern – trotz Corona

Liebe Leserinnen und Leser,

wer sich, so wie ich (ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit und in Anerkennung anderer oder keiner Religionszugehörigkeit) der christlichen Tradition verbunden fühlt, kann im Tod am Kreuz, den ein provokativer Mann aus Nazareth vor etwa 2000 Jahren erlitten hat, auch ein Symbol für die Schmerzen in diesen Tagen sehen. Wie treffend der überlieferte Schrei Jesu kurz vor dem Ende seiner Qual – ein Zitat aus Psalm 22 – in einer Zeit, in der die Welt aus den Angeln gehoben scheint, in der eine kaum noch zu zählende Anzahl an Menschen an den Folgen einer neuen Pandemie sterben muss, oft völlig alleingelassen in grausamer Quarantäne: “Mein Gott, mein Gott. Warum hast du mich verlassen?” Wie furchtbar ist diese Zeit auch für Obdachlose. Wer auf der Straße lebt, kann nicht ins schützende Zuhause gehen. Und in Notunterkünften ist die Infektionsgefahr besonders groß. Viele Obdachlose werden in diesen bitteren Corona-Tagen, –Wochen und –Monaten zudem gemieden wie die sprichwörtliche Pest – mehr noch, als schon zuvor. “Es gibt nichts Schändlicheres als die Krankheit”, schreibt Albert Camus in seinem 1947 erschienenen und derzeit wieder so aktuellem Buch “Die Pest”.

Doch – ohne den Versuch einer Relativierung menschlichen Leids - auf den Karfreitag folgt das Osterfest, dessen Botschaft seit 2000 Jahren lautet: Der Tod hat nicht das letzte Wort. In manchen Ohren mag dies wie Hohn klingen. Aber dennoch: Das Festhalten an der Hoffnung selbst in größter Not lehrt uns, dass alles einmal vorbei sein wird, auch die Corona-Krise. Vielleicht werden wir danach als Gesellschaft und Weltgemeinschaft gestärkt daraus hervorgehen. Vielleicht werden die Tage von Populisten und Potentaten schon bald gezählt sein, ebenso wie übersteigerte nationale Interessen. Vielleicht werden Werte wie Nächstenliebe und Solidarität, wie wir sie in diesen Zeiten einüben (müssen), die Krise überdauern. Vielleicht wird das An-den-Rand-Drängen von Obdachlosen aufhören? Vielleicht werden wir insgesamt zu einer gerechteren Erde finden, in der schwere Arbeit (etwa in der Pflege) anständig bezahlt wird und Vermögen angemessen besteuert. (Übrigens: Die Kosten des deutschen Nachtragshaushaltes wg. der Corona-Krise könnten allein durch eine Sonderumlage von nur 10 Prozent auf das Vermögen der Superreichen mehr als gegenfinanziert werden.) Vielleicht werden wir bessere Beziehungen zwischen den Mitgliedssaaten der EU bekommen und zwischen allen Ländern der Erde, weil wir gelernt haben, dass ein Zusammenhalt ebenso weltumspannend sein muss, wie es die Pandemie definitionsgemäß ist. “Wenn nicht alle Länder wieder genesen, werden die anderen darunter leiden”, hat sogar die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde gesagt und hinzu gefügt: “Solidarität ist also Eigeninteresse.”

In diesem Sinne muss es auch im Interesse von Stadtgesellschaften sein, dass Straßenmagazine überleben. Sie tragen wesentlich zum sozialen Frieden bei und sichern denen, die ganz unten stehen, wenigstens ein minimales Auskommen und eine nicht gering zu schätzende Teilhabe durch Kontakte zu Kund*innen, die ihnen mit Achtung begegnen. Freilich wäre die Überwindung der Notwendigkeit von Straßenzeitungen durch auskömmliche Transferzahlungen und Wohnraum für alle unser eigentliches Ziel.

fiftyfifty muss, wie alle Straßenzeitungen der Welt, in Zeiten der Corona-Krise auf dringend notwendige Einnahmen verzichten. In unserem Fall in zweifacher Hinsicht: einmal, weil der Verkauf der Zeitungen durch Corona noch mehr als durch die Digitalisierung eh schon verursacht, zurückgeht, und zum Anderen, weil wir erstmals in der Geschichte, der krassen Not geschuldet, unseren Verkäufer*innen die Zeitungen schenken und somit gar keine Einnahmen mehr haben. (Im nächsten Monat wird wieder eine reguläre Ausgabe zum regulären Preis von 2,40 Euro in einer allerdings verminderten Auflage erscheinen.)

Der Tod hat nicht das letzte Wort. Dies möge nicht nur unser aller Hoffnung sein, sondern auch unser Auftrag. Tragen wir in unserem Alltag durch ganz praktisch gelebte Anteilnahme dazu bei.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben frohe Ostertage und die Erfahrung, dass wir alle nicht allein sind.

Die Nacht,

in der das Fürchten wohnt,

hat auch die Sterne,

auch den Mond.

Mascha Kaléko

Herzliche Grüße, bitte bleiben (oder werden) Sie gesund.

Ihr Hubert Ostendorf, Geschäftsführer fiftyfifty & Team

 

PS: Wenn möglich, spenden Sie für Obdachlose https://www.paypal.com/donate/?token=3OE9yM8LVmTvu5GROiZL_fRkyaFrXL2KNufPouEWWuhy98XV-A57mrzyxMK0cAruvmK72W&country.x=DE&locale.x=DE