"Die Diskriminierung muss aufhören"

(WZ). Der Konflikt zwischen Fifty-Fifty und der Stadt erreichte mit den Wackersteinen unter der Rheinkniebrücke einen Höhepunkt. Eine Ombudsfrau könnte eine Lösung sein.

Es hätte so schön werden können. Einen Tag vor seiner Wahl besuchte Oberbürgermeister Thomas Geisel noch eine Ausstellung in der Fifty-Fifty-Galerie. Man verstand sich blendend. Das ist fünf Jahre her. Inzwischen ist das Verhältnis mit der Stadt zerrüttet. Einen neuen Höhepunkt erreichte der Konflikt in der vergangenen Woche, als die Stadt unter der Rheinkniebrücke Wackersteine ablegte, um ein Zeltlager von Wohnungslosen aufzulösen. „Die Diskriminierung muss aufhören“, fordern Hubert Ostendorf, der Gründer des Obdachlosen-Magazins, und Streetworker Oliver Ongaro.

Dabei schien man auf einem guten Weg, nachdem Anfang des Jahres eine Lösung für die Obdachlosen gefunden wurde, die am Ehrenhof gelagert hatten. Die acht Personen wurden in zwei leerstehenden Häusern der Stadt untergebracht, wo alle seitdem zurück zu einem geregelten Tagesablauf gefunden haben.

Ostendorf: „Das war ein großer Erfolg. Es hat deutlich gemacht, dass unser Konzept ‚Housing First’ funktioniert.

Bereits seit vier Jahren setzt Fifty-Fifty dieses Konzept um. Obdachlose bekommen sofort eine neue Wohnung und beginnen dort, den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. „Wir haben in den vergangenen drei Jahren 61 Leute in Wohnungen vermittelt, die wir vorher gekauft haben. Nur in drei Fällen hat das nicht funktioniert“, so die Bilanz des Fifty-Fifty-Gründers. Die meisten sind in bürgerlichen Häusern untergebracht, ohne dass es Probleme mit den Nachbarn gibt. „Das färbt ab“, meint Oliver Ongaro zum Umfeld. Danach hatte man gehofft, dass man gemeinsam alle rund 300 Düsseldorfer Obdachlosen von der Straße holen könne.

„Wir haben auf allen Ebenen verhandelt, aber wir kommen nicht weiter“, ärgert sich Oliver Ongaro. Die Stadt besitze 9000 eigene Wohnungen, es wäre kein Problem, dort Appartements für Wohnungslose anzubieten. Aber die stehen längst in Konkurrenz mit ganz normalen Mietern, denn selbst Krankenschwestern oder Polizisten bekommen wegen der hohen Mieten inzwischen einen Wohnberechtigungsschein. Ostendorf: „Das Beste ist, es würde die Stadt nichts kosten. Denn dafür würden das Job-Center oder der Landschaftsverband aufkommen.“

Zeitweise schien sich die Lage zu beruhigen. Es wurde vereinbart, dass die Stadt ankündigt, wenn Lager geräumt werden, was teilweise auch passierte.

Außerdem sollte die Adresse von Fifty-Fifty vom Ordnungsamt als Postadresse von Obdachlosen  akzeptiert werden, damit unter anderem Bußgeldbescheide zugestellt werden können. Ongaro: „Das funktioniert mit Polizei und Staatsanwaltschaft auch.“

Doch nachdem Fifty-Fifty im Sommer auf einer Pressekonferenz beklagte, dass Wohnungslose vom Ordnungsamt angeblich schikaniert werden, war es mit der Gute-Laune-Phase vorbei.

Unter anderem hatte ein Mann ein Bußgeld kassiert, weil er im Hofgarten bei strömendem Regen eine Plane zwischen zwei Bäumen aufgespannt hatte. „Das ist menschenverachtend“, schimpft Ostendorf. Als in der vergangen Woche die Steine verlegt wurden, wurde Fifty-Fifty nicht informiert.

Es reiche im Moment nicht mehr, nur den Dialog wieder aufzunehmen, sind sich die beiden einig. In Köln gebe es zum Beispiel eine Ombudsfrau, eine Nonne, die solche Konflikte löst. Und zwar erfolgreich.

 

„Geisel ist längst ein Problem-OB“

(NRZ). Dass sich Oberbürgermeister Thomas Geisel erst drei Tage nach der Steine-Aktion geäußert hat, stößt bei Politikern auf heftigste Kritik. Auch sein Umgang mit der Verwaltung wird kritisiert

Katharina Gilles


Oberbürgermeister Thomas Geisel muss derzeit viel Kritik einstecken: für die Steine unter der Kniebrücke gegen Obdachlose und für seine angebliche Kritik an der Verwaltung für eben jene Aktion. Mittlerweile hat der OB versucht, die Situation zu klären: Von den Steinen habe er nichts gewusst und seine Kritik habe sich auch nicht an die Verwaltung und seine eigenen Mitarbeiter gerichtet. Das sei „völliger Blödsinn“ (1. Lokalseite). Vielmehr habe er kritisiert, dass dort unter der Kniebrücke Steine abgelegt worden waren, um die Obdachlosen vom Campieren unter der Brücke abzuhalten.

Dass der OB seine eigene Verwaltung zunächst scheinbar so abwatschte, sorgte bei anderen Politikern für Kopfschütteln und pures Unverständnis. „Ein souveräner Oberbürgermeister hätte das nicht gemacht“, meint Grünen-Fraktionssprecher Norbert Czerwinski . So gehe man nicht mit der Verwaltung um. Ebenfalls in die Kritik geraten war Geisel, weil er sich erst fast drei Tage nach Bekanntwerden der Steine-Aktion dazu geäußert hatte. Das bewertet Czerwinski als „fatal“. „Fehler können passieren, aber dann sollte man dazu stehen“, so der Grüne. Er vermutet zudem, dass sich Geisel zunächst „geduckt hat, in der Hoffnung, dass er nichts abbekommt“.

Für den Düsseldorfer Fraktionschef der Linken, Lutz Pfundner, ist die Vorgehensweise der Stadt „menschenverachtend“ und die Situation eine „schwierige“. Er kann sich zudem nicht vorstellen, dass die Steine-Aktion völlig am OB vorbeigegangen sein soll. Und selbst wenn, sei Geisel als Oberbürgermeister dafür verantwortlich, zumal er wusste, „dass die Obdachlosen vertrieben werden sollten“. Gleichzeitig bezweifelt Pfundner, dass sich Geisel überhaupt zu dem Skandal geäußert hätte, „wenn es nicht den ganzen Wirbel dadrum gegeben hätte“.

Die CDU-Ratsfraktion findet die scharfe Kritik von Oberbürgermeister Thomas Geisel an seiner eigenen Verwaltung wegen der Steine-Aktion „stillos und unangebracht“. Der OB rücke in aller Öffentlichkeit von seinen Mitarbeitern ab und setze sie öffentlichem Unmut aus. Das sei ein ungeheuerlicher Vorgang. Geisel verstoße damit als Dienstherr gegen die Fürsorgepflicht gegenüber seiner Belegschaft, so die CDU. „Die Führungsqualität eines Vorgesetzten erkennt man daran, wie er mit seinen Beschäftigten umgeht“, sagt Fraktionsvorsitzender Rüdiger Gutt .

Statt sich vor seine Verwaltung zu stellen, verunglimpfe er die Entscheidungen der eigenen Leute als ‚töricht‘ und lasse sie einsam im Regen stehen. „Loyalität ist keine Einbahnstraße. Auch Mitarbeiter müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Chef zu ihnen hält.“

Auch zur Frage, ob und was der OB im Vorfeld von der Maßnahme der Verwaltung gewusst habe, äußert sich Gutt: „Durch einen Pressebericht von Dienstag wird deutlich: Der OB war über sein Büro schon früh darüber informiert, dass Flächen durch Gegenstände blockiert werden sollten. Vor diesem Hintergrund ist es noch unverständlicher, dass Herr Geisel zu seinen Mitarbeitern so sehr auf Distanz geht.“ Gutt erinnert daran, dass Geisel bei Amtsantritt mehrfach betont habe, mit ihm gebe es eine neue Kultur des Miteinanders in der Verwaltung. „Das waren die leeren Worte eines Ankündigungs-Weltmeisters. Nach der Reaktion des Oberbürgermeisters auf die Steine-Aktion wird sich niemand mehr trauen, Entscheidungen zu treffen. Geisel ist längst zum Problem-OB geworden.“

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