Stadt zeigt fiftyfifty an und stellt sich nicht der Kritik

Unsere Protestkundgebung vom 21.01.19 zum unserer Meinung nach rechtswidrigen Vorgehen zweier OSD-Streifen hat nun ein juristisches Nachspiel, die Stadt hat fiftyfifty angezeigt. Uns wird vorgeworfen, die Persönlichkeitsrechte der beiden OSDler zu verletzen. Trotz intensiver Gespräche mit Politik und Verwaltung schafft es die Stadt Düsseldorf mit diesem Vorgehen, eine relative Nebensächlichkeit zu einem Politikum zu stilisieren.

Seit gut 20 Jahren setzen wir uns für ein besseres Miteinander von Wohnungslosen und OSD ein. Bereits im Dezember 1999 wurde in Düsseldorf die “Ökumenische Erklärung zur Achtung gegenüber Wohnungslosen und Suchtkranken" vorgelegt, sie insistiert auf gleichen Bürgerrechten für Arm und Reich, für Starke und Schwache. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes fordert sie eine menschenwürdige Sprache in der Politik, den Verzicht auf Feindbilder und die Vorgabe solidarischer Zeichen und Zielsetzungen. Entscheidender Prüfstein an die Kommunalpolitik ist, ob sie wirkungsvolle, professionelle Hilfen fördert und der Verringerung von Leiden dient. Über 100 TheologInnen, 160 Christen in Sozialberufen und annähernd 2.000 weitere BürgerInnen haben diese Erklärung seinerzeit unterzeichnet. Darunter sind nicht wenige prominente Namen und offizielle Repräsentanten der Großkirchen vertreten.

Die ökumenische Erklärung hat erschreckenderweise an Aktualität nichts eingebüßt. Doch anstatt sich nach unserer Protestaktion der substantiellen Kritik an dem lt. Gutachten von Dr. Michael Terwiesche „rechtswidrigen“ § 6 DStO, dem rechtswidrigen Nicht-Anerkennen von Postadressen, oder der dem höchst fragwürdigen Einsatz von Zivilstreifen macht die Stadt nun eine Personalposse daraus. Das ist doch wirklich ein hübsches Ablenkungsmanöver. Mit den Inhalten unserer Kritik befassen sie sich schlicht gar nicht, es gibt keine Bereitschaft zur Streichung oder mindestens Abmilderung des § 6 der Düsseldorfer Straßenordnung, es gibt keinen Vorschlag, eine Ombudsperson für solch strittigen Fälle zu installieren - nein, sie setzen offensichtlich auf die niedrige Beschwerdekompetenz der Betroffenen und wissen, dass sie überwiegend damit durchkommen. Und: Sie befassen sich auch nicht mit den vielen guten Argumenten der Sicherheitsforschung, stattdessen rechtfertigen sie ihre Bußgelder mit der Gleichbehandlung aller DüsseldorferInnen, denn die Straßenordnung gelte eben für alle. Obdachlose und arme Menschen leben jedoch unter besonders erschwerten Bedingungen. Sie können bei widriger Witterung nicht in ihr wohlig-warmes Wohnzimmer, sie sind aufgrund ihrer materiellen Armut oftmals von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Wo sollen sie denn zusammenkommen, warum werden ausgerechnet sie aus dem öffentlichen Raum vertrieben? Nach massivem Druck hat die Stadt Dortmund die Knöllchen gegen Obdachlose eingestellt – ein guter Schritt in die richtige Richtung, wie wir finden.

Anzeigen gegen eine Hilfsorganisation haben in Düsseldorf eine neue Qualität und sind selbst unter Oberbürgermeister Joachim Erwin, der sich ausdrücklich als Law-and-Order-Man verstanden hat, nicht erfolgt. Nun muss also juristisch darum gerungen werden, ob und in wieweit konkrete Missstände konkret benannt werden dürfen. Ein Tiefpunkt in dieser ganzen traurigen Entwicklung.

Julia von Lindern, fiftyfifty-Sozialarbeiterin und Dozentin an der Hochschule Düsseldorf

Der Wortlaut der Ökumenischen Erklärung von 1999 - 20 Jahre danach aktueller denn je:

www.ik-armut.de/inhalt/oeku-Erklaerung.htm