Bereits drei tote Obdachlose

Erstmalig seit Langem sind mit Einbruch der Kälte drei tote Obdachlose zu beklagen. In Köln, Hamburg und Düsseldorf sind ein Obdachloser aus Rumänien und zwei Obdachlose aus Polen auf der Straße gestorben. Ob die Menschen tatsächlich an der Kälte gestorben sind, müssen die Obduktionsergebnisse noch zeigen. Laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) sind in den Jahren 1991 – 2017 mindestens 289 Menschen erfroren. Die Dunkelziffer könnte höher liegen – eine Statistik von Kältetoten führt die Bundesregierung genauso wenig wie eine bundesweite Statistik über Obdachlose allgemein.

Seit 2014 steigen die Zahlen obdachloser Menschen drastisch. Der Anteil obdachloser EU-BürgerInnen macht dabei bis zu 50 % in deutschen Großstädten in der Straßenobdachlosigkeit aus. Die Menschen aus Rumänien, Polen oder Lettland kommen auf der Suche nach Arbeit nach Deutschland und nicht in der Hoffnung in Deutschland Sozialleistungen zu erhalten. Meist landen sie hier jedoch viel zu oft in prekären, illegalen Beschäftigungen, werden ausgebeutet und für ihre Arbeit nicht entlohnt. In der Folge sind sie dann nicht (mehr) krankenversichert, sie können ihre Unterkunft nicht mehr zahlen, erhalten kein Arbeitslosengeld, ihnen fehlt somit schlicht die Existenzgrundlage und letztlich enden viele auf der Straße.

Bundesweit erhalten sie kaum Unterstützung. Gerade diese Menschen schlafen auch im Winter in Abbruchhäusern und selbstgebauten Hütten. In Düsseldorf wird diese Personengruppe zu Touristen erklärt und der Zugang zu städtischen Notunterkünften in der Regel verwehrt, obwohl sie sich z. T. seit Jahren im Stadtgebiet aufhalten.

Der renommierte Experte für Ordnungsrecht, Karl-Heinz Ruder, Rechtsanwalt / Stadtrechtsdirektor i. R. kommt in einem von der BAG W beauftragten Gutachten zu dem Schluss, das die Verweigerung, diese Menschen unterzubringen, rechtswidrig ist (https://www.bagw.de/de/presse/Pressearchiv~117.html). Dennoch wird dies unter anderem in Düsseldorf so gehandhabt.

Vor dem Hintergrund der in Hamburg verstorbenen Polin findet es auch Dirk Hauer vom Diakonischen Werk grundfalsch, verschiedene Gruppen in existenzieller Notlage gegeneinander auszuspielen. Vielmehr müsse für Wohnungslose der Zugang zum Wohnungsbestand drastisch vereinfacht werden (https://www.hinzundkunzt.de/zuwanderung-ist-nicht-das-problem). Die Nachbarstadt Köln hat reagiert. Hier wird ganzjährig eine Notschlafstelle für EU-Obdachlose eröffnet, mit anschließendem Tagesangebot und einer warmen Mahlzeit. Die Stadt Köln und der SKM (Sozialdienst katholischer Männer) machen das nach eigener Aussage als humanitäre Hilfe.

Düsseldorf hält lediglich von Mitte November bis Mitte März eine „Winternothilfe“ mit 20 Plätzen in einem Schlafsaal und zusätzlich 6 Plätzen in einem weiteren Bereich für Frauen vor. In anderen Städten in NRW starten die Winternothilfen bereits im Oktober. In Düsseldorf ist der Beginn der Winternothilfe ungeachtet der tatsächlichen Temperaturen auf den 15. November festgelegt. In der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober 2018, in der der Obdachlose Andrzej in Düsseldorf verstarb, war es 2,7 Grad Celsius kalt (https://www.wetterkontor.de/de/wetter/deutschland/rueckblick.asp?id=50). Damit ist Andrzej der dritte tote Obdachlose in drei Jahren, der auf Düsseldorfs Straßen in der Kältezeit verstorben ist.

Auch in Düsseldorf brauchen wir dringend neue Strategien gegen die Straßenobdachlosigkeit, unabhängig von der Nationalität der Obdachlosen. Bisher gibt es keine städtischen Hilfsangebote für obdachlose EU-Bürger.

 

PS: Das Team vom GuteNachtBus, der von vision:teilen und fiftyfifty betrieben wird, gibt eine gute Übersicht, wie Sie sich verhalten können, wenn Sie einen Obdachlosen auffinden: https://de-de.facebook.com/GutenachtbusDuesseldorf/

Wir möchten darauf hinweisen dass bei lebensbedrohlichen Zuständen bitte immer die Feuerwehr unter 112 zu informieren ist. Es fallen weder für Sie als ernstgemeinter Anrufer, noch für den Betroffenen Kosten an!Bei einer Unterkühlung werden drei Stadien unterschieden: 1. Muskelzittern, tiefes Atmen, erhöhter Puls, Körpertemperatur 35-32 °C. 2. Steife Muskeln, schläfrig und kaum noch ansprechbar, Körpertemperatur 32-28 °C. 3. Bewusstlos, Puls lässt sich kaum ertasten, unter 24 °C. Körpertemperatur kommt es zum Atem- und Kreislaufstillstand, es besteht akute Lebensgefahr! Sollten Sie sich nicht sicher sein, rufen Sie auf jeden Fall die Feuerwehr an und beschreiben Sie die Situation möglichst genau, damit die Einsatzkräfte dementsprechend reagieren können.

 

Düsseldorfer Bankrotterklärung

(ho). Im „Jahresbericht 2017“ zur Situation wohnungsloser Menschen in Düsseldorf heißt es: „Die Träger der Wohnungslosenhilfe stellen fest, dass wohnungslose Menschen zunehmend mehr Schwierigkeiten haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Zunehmende Ursache hierfür ist die aktuell sehr stark angespannte Mietmarktsituation (…) und der Rückgang der Anzahl von „Sozialwohnungen“ von 26.302 (im Jahr 2008) auf 15.878 (im Jahr 2017) sowie die Mietmarktverknappung durch die Umwandlung von Wohnraum in gewerbliche Flächen (z. B. Ferienwohnungen). Aber auch stark ansteigende Mieten und die Wohnungsknappheit - gerade im Bereich der Single-Appartements – tragen dazu bei, dass (…) Menschen aus den ambulanten und stationären Hilfeleistungssystemen nur noch sehr geringe Chancen auf dem Wohnungsmarkt haben (…). So ist auch im Bereich der Notschlafstellen festzustellen, dass die Anzahl der Vermittlungen in den eigenen Wohnraum deutlich abgenommen hat.“ fiftyfifty fordert zusammen mit der Diakonie in einem Positionspapier, dass die Landeshauptstadt das Konzept Housing First unterstützt und aus den Beständen der Städtischen Wohnungsgesellschaft unmittelbar 50 Appartements für Langzeitwohnungslose zur Verfügung stellt.

 

 

fiftyfifty bittet um Spenden, um Obdachlosen in der Kälte helfen zu können: Asphalt e.V./fiftyfifty, Postbank Essen / IBAN: DE35 3601 0043 0539 6614 31 / BIC: PBNKDEFF