Landen Obdachlose jetzt wieder auf der Straße?

06.04.19: Zwangsräumung konnte nicht verhindert werden. Aktuelle Informationen hier.

Am übernächsten Mittwoch, 10.04., dürfte es um 10 Uhr an der Lessingstraße 25 einen Menschenauflauf geben. Ein Gerichtsvollzieher soll den früheren Wohnunglosen Rolf Thenagels (56) wegen 466 Euro Mietrückstand zwangsräumen.

Der Berliner Immobilienhai Eytan H. (34) will es so. Er hat das nach einer „fiftyfifty“-Straßenmagazin-Spende den „Armen Brüdern“ geschenkte 24-Parteien-Haus für einen Spottpreis abgekauft, will das vermutliche Spekulationsobjekt entmieten. „fiftyfifty“-Geschäftsführer Hubert Ostendorf: „Wir fühlen uns von der Ordensgemeinschaft der Armen-Brüder betrogen. Das Haus sollte für Wohnungslose eine Bleibe sein. Doch die Armen-Brüder haben ihre eigenen Finanz-Löcher nach Millionen-Spekulationsverlusten mit dem Verkauf eines von uns durch Düsseldorfer Spenden erworbenes Haus verhökert, um an Geld zu kommen.“

Fakt ist: Der Berliner Eigentümer ist formal im Recht, doch von Moral keine Spur. Eytan H. lockt die Mieter mit Auszugsprämien von 2500 Euro, bar auf die Hand. Der frühere obdachlose Dieter Mörs (64) in seiner gemütlichen Wohnung: „Ich bin doch nicht bekloppt. Der hat mir Rosenmontag das Geld angeboten, wie anderen auch. Dann hänge ich doch wieder auf der Straße.“

Streetworkerin Julia von Lindern (32): „Hier läuft eine Tragödie ab. Die Stadt sieht zu, tut nichts. Die »Armen Brüder« verdrücken sich. Sie behaupteten, dass die Mietverhältnisse bleiben. Sonst hätten sie nicht verkauft. Wir wurden nicht gefragt. Die Berliner Firma will im Fall Thenagels das fehlende Geld gar nicht. Sie will die Mieter raus haben, egal wie.“ Einer der Ordens-Oberen hatte „fiftyfifty“ noch versprochen, keines der Häuser für Obdachlose verkauft werden solle. Offenbar nur leere Worte. Der Berliner Immobilieninvestor, der eine fast halbe Million Quadratmeter Wohnungen besitzt. will von Zusagen an die „Armen Brüder“ nichts wissen. Die Anwälte von Eytan H. holten sich knallhart einen Titel, wollen die Zwangsräumung. Der von der Räumung bedrohte Rolf Thenagels steht vor dem erneuten Nichts. Er hat eine kleine Wohnung in dem gepflegtem roten Klinker-Bau: „Ich habe einen Mietrückstand, auf den ich schon abgezahlt habe. Es gab einen Engpass. Ich weiß nicht weiter.“

„fiftyfifty“-Geschäftsführer Hubert Ostendorf: „Der Eigentümer hat schon die Mieten erhöht. Der Verdrängungsprozess läuft. Ich bin entsetzt darüber, was uns und unseren Schützlingen die Armen-Brüder eingebrockt haben.“

Eine Initiative rief auf, die Zwangsräumung von Thenagels zu verhindern. Eine Franziskaner-Kutte wird nächste Woche an der Lessingstraße wohl nicht zu sehen sein... EXPRESS, 3.4.2018

 

Gier ist eine Todsünde

Kommentar von EXPRESS-Redakteur Marc Herriger:

Man kann es eigentlich kaum glauben: Da bekommt ein katholischer Orden insgesamt sechs Häuser geschenkt – finanziert aus Spendengeldern, die „fiftyfifty“ eingesammelt hat. Einzige Bedingung: Sie sollen der Unterbringung von Obdachlosen dienen. Dann verspekuliert ausgerechnet ein Franziskaner-Orden Spendengelder in Millionenhöhe auf dem Finanzmarkt und verscherbelt daraufhin eines der Häuser weit unter Marktwert an einen Investor, der nur maximalen Profit machen will. Ist Gier nicht eine der biblischen Todsünden?
Das scheint bei den Geistlichen der „franzfreunde“,wie sie sichmittlerweile nennen, ganz offensichtlich unbekannt zu sein. Vielleicht sollten sie wieder einmal in ihr heiliges Buch schauen. fiftyfifty-Chef Hubert Ostendorf hat über diesen Skandal eine echte Männerfreundschaft verloren, so manchen Spender und das Vertrauen. Jetzt lässt er sich bei Schenkungen immer ein Rückkaufrecht garantieren. Damit Leute wie Rolf Thenagelswirklich ihren Seelenfrieden finden.

Hinweis: Im Original-Artikel wird an 3 Stellen statt von den Armen-Brüdern fälschlicherweise von den "Franziskanern" gesprochen. Wir weisen darauf hin, dass der Franziskaner-Orden mit diesem Skandal nichts zu tun hat. Im Gegenteil: Die Franziskaner kümmern sich mit ihrer (ursprünglich auch auf Initiative und mit Unterstützung von fiftyfifty) eingerichteten Firminus-Klause um die Versorgung wohnungsloser Menschen mit warmen Mahlzeiten. Die Kritik richtet sich vielmehr an die "Ordensgemeinschaft der Armen-Brüder des Heiligen Franziskus" bzw. ihre Sozialwerke e.V., die sich mittlerweile in "franzfreunde" umbenannt haben.