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Konsequenzen aus dem Fall Gisa: Rheinbahn zeigt Fahren ohne Ticket nicht mehr an!

Wir freuen uns, dass der vehemente, öffentlichkeitswirksame Protest Wirkung gezeigt hat und die Düsseldorfer Rheinbahn nun auch dem Stadtratsbeschluss folgt.

Der erste Mehrheitsbeschluss von SPD, Grünen, Linken, FDP und der Klima-Fraktion forderte die Rheinbahn AG bereits im November 2022 dazu auf, die Strafverfolgung wegen Beförderungserschleichung einzustellen. Dies war für das stadteigene Unternehmen allerdings nicht bindend – und die Rheinbahn ignorierte den Beschluss. Die Fraktionen entschieden daher in einem weiteren Antrag im Juni 2023, das kommunale Unternehmen formal anzuweisen – was nun offenbar Wirkung zeigte.

Bundesweit fordern Initiativen seit vielen Jahren die Abschaffung der Strafbestandes der „Leistungserschleichung“. Tausende Menschen, mehrheitlich arbeitslos, obdachlos, drogenabhängig, werden jedes Jahr durch das armutsbedingte Fahren ohne Fahrschein straffällig. Darunter fiftyfifty-Mitarbeiterin Gisa März, die erst Anfang des Jahres freigelassen wurde. Die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Zanda Martens forderte die Freilassung Gisas und traf sie nach ihrer Entlassung. In der Ampelregierung setzt auch sie sich für eine bundesweite Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein ein.

Die Rheinbahn ist nun der erste Verkehrsbetrieb, der dies offiziell nicht mehr zur Anzeige bringt.  Bleibt zu hoffen, dass sich weitere Kommunen und Verkehrsbetriebe anschließen. Das Fahren ohne Ticket gehört überall entkriminalisiert!

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/duesseldorf-rheinbahn-zeigt-schwarzfahrer-nicht-mehr-an-a-3d847e72-2e4f-46e5-8766-0635fbef33cf

https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/oepnv-duesseldorf-rheinbahn-zeigt-schwarzfahrer-nicht-mehr-an_aid-97288125

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/stadtrat-duesseldorf-gegen-anzeigen-wegen-schwarzfahren-100.html

https://www.berliner-kurier.de/panorama/erster-verkehrsbetrieb-zeigt-schwarzfahrer-nicht-mehr-an-li.387631

https://www.antenneduesseldorf.de/artikel/duesseldorf-schwarzfahren-soll-nicht-mehr-strafrechtlich-verfolgt-werden-1684847.html

 

Hubert Ostendorf, fiftyfifty - im Newsletter vom 11.8.23: 

Liebe Leserinnen und Leser,

wie oft kommt es vor, dass wir keinen Parkplatz finden. Ärgerlich. Manchmal stellen wir das Auto dann nicht korrekt ab und erhalten ein Bußgeld. Dann, einige Tage später: das Gleiche. Wieder kein Parkplatz, wieder falsch geparkt. Was tun? 
Stellen Sie sich vor, Sie bekämen eine Strafanzeige wegen ständiger Wiederholung und müssten dafür - selbst wenn Sie die Strafen immer gezahlt haben - ins Gefängnis. Also keine Ersatzfreiheitsstrafe, weil sie nicht bezahlt haben. Diese Ersatzfreiheitsstrafe könnten Sie dann abwenden, indem sie doch noch in letzter Sekunde zahlen. Nein: Strafhaft.
So ging es unserer Gisa und so geht es fast allen Obdachlosen und Drogenkranken. Ja, Drogenabhängigkeit ist laut WHO eine KRANKHEIT. Gisa musste sechs Monate ins Gefängnis, weil sie wiederholt ohne Ticket gefahren ist. Sie hatte kein Geld, weder für das Ticket noch für die Strafe. Sie war gefangen in den Katastrophen und Schmerzen ihrer Krankheit, ihrer Sucht. Weil sie wiederholt ohne Ticket gefahren war, musste sie einsitzen. Strafhaft. Keine Ersatzfreiheitsstrafe. Wir konnten sie nicht freikaufen. 
Der Unterschied zwischen Ersatzfreiheitsstrafe und Strafhaft ist vielen nicht klar. Viele Unterstützer*innen haben uns Geld angeboten, um Gisa frei zu kaufen. Aber das war nicht möglich, weil Gisa eben keine Ersatzfreiheitsstrafe bekommen hatte, sondern Strafhaft - wie eine Schwerkriminelle.
Gisas Fall ging mit Unterstützung von fiftyfifty bundesweit durch die Presse. Im Bundestag wird nun darüber debattiert, den entsprechenden Strafrechtsparagraphen ("Erschleichen von Leistungen"), der noch aus der Nazizeit stammt, abzuschaffen. In Düsseldorf hat die Rheinbahn nun entschieden, Menschen, die ohne Ticket fahren, nicht mehr anzuzuzeigen, nicht mehr zu kriminialisieren. Das erhöhte Beförderungsentgelt fällt natürlich dennoch an.
Im Namen derer, die sich uns anvertrauen, im Namen der Obdachlosen, danken wir der Rheinbahn für diese mutige Entscheidung, die hoffentlich von anderen Verkehrsunternehmen übernommen wird. Wir danken Gisa und allen Prominenten, die sich der Kampagne angeschlossen haben: Thomas Ruff, Imi & Carmen Knoebel, Ulrich Erben, Ingrid Bachér, Jacques Tilly ... Der Fall zeigt: Sich Verhör zu verschaffen, kann lohnen.

Herzliche Grüße, Ihr

Hubert Ostendorf, fiftyfifty