12.02.-13.03.: Justyna Tuha in der fiftyfifty Galerie

Liebe Kunstfreundinnen und Kunstfreunde,

 

in welchem Atelier auch immer wir uns befinden, es duftet. Mal nach Farbe, mal nach Chemie und mal nach Kaffee. Der Außenstehende tritt staunend ein und beginnt zu begreifen. So auch im Atelier von Justyna Tuha in Düsseldorf.

Was haben die großformatigen, ungerahmten Monotypien von Justyna Tuha mit Obdachlosigkeit zu tun? Auf Papierbahnen und Leinen sind kalligraphisch anmutende Linien angeordnet, zum Teil geradlinig, aber auch chaotisch und kraftvoll gesetzt. In ihren Monotypien wird zunächst eine Papierbahn auf eine mit Farbe bedeckte Acryl-oder Glasfläche gelegt mit der Bildseite nach unten. Dann wird in freiem Fluss und mit Druck auf der Rückseite gezeichnet. Mit einer weiteren Farbe wird der Vorgang manchmal wiederholt. Besonders in den farblich reduzierten Monotypien ergeben sich Assoziationen an Gitterstäbe in Gold und Schwarz, die uns an all die Leben denken lassen, die in unserem Haus der Gesellschaft hinter der Fassade leben. Auch ein Käfig ist ein Raum. Fassade und Innenraum sind transparent. So ist es auch mit der Sicht auf Obdachlose. Nur blind können wir uns entziehen. Wer seine Berührungsängste überwindet und die Gitterstäbe berührt und sich damit auf eine Ebene mit Obdachlosen begibt, mit ihnen spricht,  eine Zeitung kauft, darin liest und eben auch erkennt, dass es auch dort einen Kosmos gibt samt Biografie und Konsequenzen, wird erkennen, dass der goldene Käfig überall steht und die Gitterstäbe überall vorzufinden sind. Die Arbeiten von Justyna Tuha liefern daher in ihrer Bruchstückhaftigkeit keine Erzählung wie es die berühmte Geschichte „Der goldene Käfig“ tut, sie sprechen vielmehr von all den Emotionen im und um den Käfig und der Spannung, die in einer Welt ohne politischen Anstand herrscht. Auf eindrückliche Weise wird in ihren Arbeiten die Frage gestellt: Wer eigentlich sitzt im Käfig, dessen Gitterstäbe Gold und Schwarz sind?

Wer durch Leid verletzt, geprüft oder sogar gestählt ist, hat viel zu erzählen. Und Gold steht nicht nur für Geld und Schwarz nicht nur für Armut. Gold steht auch für Licht und Schwarz für Tiefe. Diese Dimensionen kann man in unserem Projekt strassenleben.org erleben, bei dem Wohnungslose alternativ durch die Stadt führen, an Plätze, die gemeinhin gemieden werden, wo Drogen vertickt werden, Beschaffungsprostitution stattfindet, wo Menschen unter Brücken schlafen.

Dort endet das Nachdenken über reich und arm und beginnt das Mitgefühl für das, was das Leben wertvoll macht und in den Monotypien von Justyna Tuha implodiert und explodiert.

 Oder: Die Arbeiten von Justyna Tuha sind für die gute Sache, um Wohnungen zu kaufen für Menschen ohne jede Chance auf dem regulären Wohnungsmarkt. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Zum Beispiel das Bild vom “Oscar für Obdachlose” des verstorbenen Gönners Jörg Immendorff, der einst sagte, “blindwütige Karikativität” könne auch nicht die Lösung sein, da sei mal “knallhart der Staat gefragt”. Recht hatte er. Und genau deshalb geht es bei fiftyfifty niemals ausschließlich um Barmherzigkeit, sondern immer auch darum, die Verhältnisse zu ändern. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ ist das berühmte Zitat aus dem Kleinen Prinzen und spricht genau die Ebene an, auf der die Bilder von Justyna Tuha entstehen.

Eigens zur Ausstellung in der fiftyfifty-Galerie hat die Künstlerin eine Editionangefertigt: Digital-Druck auf Industrie-Bütten, ca. 40 x 30 cm, Auflage 50 plus e/a, datiert, nummeriert, handsigniert UND jedes Blatt individuell von Hand nachkoloriert. Der Preis je Halb-Unikat beträgt nur 100 Euro – zu Gunsten der Obdachlosenhilfe. Bestellung auch hier:  https://www.fiftyfifty-galerie.de/kunst/6222/jystina-tuha.

Ich freue mich darauf, Sie am Freitag zu begrüßen. Bei einem Glas Wein oder Wasser werde ich ein Gespräch unter Künstlerinnen mit Tuha führen, bei der wir wichtige Aspekte ihrer Arbeiten erörtern werden. Selbstverständlich sind Sie herzlich eingeladen, mitzureden.

Herzlich willkommen, Ihre

Katharina Mayer

Professorin für Künstlerische Fotografie an der BTK Hochschule Berlin